Nachfolgend ein Beitrag vom 4.4.2018 von Hoffmann, jurisPR-ArbR 14/2018 Anm. 5

Leitsätze

1. Verlangt der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern zu Beginn des Kalenderjahres die Angabe ihrer Urlaubswünsche und trägt diese in einen Urlaubsplan ein, wird von ihm verlangt werden müssen, dass er in angemessener Zeit dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers widerspricht, wenn er nicht beabsichtigt, dem Arbeitnehmer den Urlaub im geplanten Zeitraum zu gewähren. Erfolgt dieser Widerspruch nicht innerhalb einer angemessenen Zeitspanne, so darf der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass sein Urlaub entsprechend seinem Urlaubswunsch als gewährt gilt. Als angemessene Zeitspanne ist in der Regel ein Zeitraum von einem Monat nach Vorlage des Urlaubswunschs oder Erstellung des Urlaubsplanes anzusehen.
2. Eine Regelung in einer einseitigen Anweisung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer den in den Urlaubsplan eingetragenen Urlaub eine Woche vor dem geplanten Termin zur Genehmigung beantragen muss, ist eine allgemeine Geschäftsbedingung, die mit dem Grundgedanken nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, dass der Arbeitgeber die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen hat, nicht zu vereinbaren und daher nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

A. Problemstellung

Das ArbG Chemnitz hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob durch die Eintragung in einen Urlaubsplan ein Urlaub schon als genehmigt anzusehen ist und inwieweit eine Urlaubsregelung den Termin des Urlaubsantrags rechtlich wirksam vorgeben kann.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen behaupteter Selbstbeurlaubung der Klägerin. Die Klägerin ist seit dem 16.12.2015 als Sachbearbeiterin bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte hat in ihrem Betrieb eine Anweisung zur „Beantragung und Nachweisführung von Urlaub“ eingesetzt, nach deren Ziff. 4.2.1 bis zum 31.01. eines Kalenderjahres ein Urlaubsplan zu erstellen ist. Dies sei jedoch noch keine Gewährung des jeweiligen Urlaubs. Der Urlaub soll nach Ziff. 4.3 dem zuständigen Leiter eine Woche vor Urlaubsantritt zur Genehmigung vorgelegt werden – Ausnahmen gebe es nur für unvorhersehbare Ausnahmefälle.
Die Klägerin hatte den für die Zeit vom 21.08. bis 08.09.2017 geplanten Urlaub in den Urlaubskalender eintragen lassen. Die Klägerin hatte diesen Urlaub nach direkt vorhergehender Krankheit jedoch nicht ihrem Leiter zur Genehmigung vorgelegt. Daraufhin kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 05.09.2017 fristlos. Die Klägerin erhob hiergegen am 20.09.2017 Kündigungsschutzklage.
Das ArbG Chemnitz hat der Klage stattgegeben.
Zwar könne eine Selbstbeurlaubung grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, so aber nicht im streitgegenständlichen Fall. Es liege kein Fall der Selbstbeurlaubung vor. Die Genehmigung des Urlaubs sei schon durch die fehlende Erklärung der Beklagten zum Urlaub im Zusammenhang mit der Eintragung des Urlaubs in den Urlaubsplan erteilt.
Zunächst stellte das Arbeitsgericht fest, dass die Urlaubsanweisung eine einseitig gesetzte Regel und damit als AGB einzustufen sei. Sie unterliege daher auch dem Prüfprogramm der §§ 307 ff. BGB. Die Urlaubsanweisung halte zumindest in Bezug auf das dort vorgesehene Genehmigungsverfahren einer solchen Prüfung nicht stand, da sie die Arbeitnehmer unverhältnismäßig benachteilige, dafür aber die betrieblichen Belange übermäßig berücksichtige. Sie sei daher unwirksam. Zunächst sei schon fraglich, ob zeitliche Regelungen für die Festsetzung von Urlaub überhaupt wirksam sein könnten. Das Gesetz sehe als einziges Kriterium den Wunsch des Arbeitnehmers vor, setze ihm aber keine zeitlichen Grenzen. Zudem müsse die in der Urlaubsanweisung genannte Frist von einer Woche als feste/starre Frist verstanden werden, die es nicht zulasse, den Urlaub zu einem früheren Zeitpunkt zu beantragen. Dass die Praxis eine andere sei, stehe einer solchen Auslegung nicht entgegen. Die Anweisung selbst gebe keinen Anlass, eine andere Auslegung vorzunehmen. Auch handele es sich bei dieser Regelung nicht um eine unbeachtliche Formalie. Es könne, wie von der Beklagten eingestanden, durchaus vorkommen, dass ein Urlaub nicht genehmigt werde, auch wenn er im Urlaubsplan eingetragen gewesen sei.
Die Genehmigung sei stattdessen schon zu einem früheren Zeitpunkt erteilt. Zwar stelle das Aufstellen des Urlaubsplans keine Genehmigung des Urlaubs dar, jedoch gelte eine solche als erteilt, wenn der Arbeitgeber dem im Urlaubsplan festgehaltenen Urlaub nicht in angemessener Zeit (in der Regel ein Monat) widerspreche. Der Urlaubsplan könne nicht gänzlich ohne Bedeutung sein.
Daher sei der Urlaub mangels Widerspruch der Beklagten gegen den Urlaubsplan genehmigt gewesen und somit habe kein Fall der Selbstbeurlaubung vorgelegen.

C. Kontext der Entscheidung

Das Urteil des ArbG Chemnitz ist nachvollziehbar und hält sich im Ergebnis im Rahmen der bestehenden Rechtsprechung, bleibt aber teils hinter bestehenden Standards zurück.
I. AGB-Kontrolle der Urlaubsordnung
Zu Recht hat das ArbG Chemnitz die Urlaubsordnungen der Beklagten an den Standards der AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB gemessen (im Anschluss an BAG, Urt. v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08 – NZA 2009, 535). Zwar stellt § 305 Abs. 1 BGB in seiner AGB-Definition nur auf Bedingungen ab, die bei Abschluss eines Vertrages gestellt und dann Teil des Vertrages werden. Eine Weisung wird erst nach Abschluss eines Arbeitsvertrages innerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses erteilt. Die Grenzen für das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist nach § 106 GewO eigentlich „billiges Ermessen“. Dieses könne jedoch nicht weiter reichen als die Grenzen für vertragliche Regelungen, bei denen zumindest auch ein mehr oder weniger freiwilliges Einverständnis der anderen Vertragspartei vorliegt.
Soweit das ArbG Chemnitz diese Prüfung dann streng anhand des Wortlauts vornimmt, ist dies nicht zu beanstanden. Eine starre Grenze, Urlaub genau fünf Tage vor dem Antritt zur Genehmigung vorlegen zu müssen, ist bei der Prüfung anzunehmen – und letztlich nicht mit § 307 Abs. 2 BGB vereinbar. Lediglich die Begründung des Arbeitsgerichts, warum diese „5-Tages-Frist“ nicht als spätester Zeitpunkt für einen Urlaubsantrag, sondern als genauer Antragszeitpunkt verstanden werden muss, ist kritikwürdig. Hier kann es entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht nur darauf ankommen, ob der Wortlaut eine bestimmte Auslegung hergibt. Dem steht § 133 BGB entgegen. Im Rahmen der AGB-Prüfung ist jedoch die für den Verwender nachteiligste Auslegung zu wählen. Dies ist in diesem Fall tatsächlich die strenge Wortlautauslegung, die das Arbeitsgericht anwendete.
Die Zulässigkeit von Weisungen zur Urlaubsplanung bestimmt sich auch anhand der bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Urlaubsrecht. Die Kriterien für die Festsetzung des Urlaubs sind nach § 7 Abs. 1 BUrlG die Wünsche des Arbeitnehmers, dringende betriebliche Belange und die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer. Zum Schutz der dringenden betrieblichen Interessen und der Wahrung der Möglichkeit, die Urlaubswünsche aller Arbeitnehmer miteinander zu vereinbaren, kann der Arbeitgeber Urlaubsgrundsätze aufstellen. Reicht der Arbeitnehmer seine Urlaubswünsche erst nach einer vom Arbeitgeber gesetzten Frist ein, verfällt der Urlaubsanspruch nicht, es kann jedoch sein, dass der Arbeitgeber diese Wünsche aus dringenden betrieblichen Interessen und wegen des bereits anderen Mitarbeitern gewährten Urlaubs nicht erfüllen kann. Zwar lassen sich so nicht alle einseitigen Regelungen des Arbeitgebers zur Urlaubsplanung rechtfertigen, die fast schon grundsätzlichen Bedenken, die das ArbG Chemnitz äußert, scheinen aber überzogen.
II. Tatsächliche Genehmigung des Urlaubs
Zu Recht geht das ArbG Chemnitz davon aus, dass der Urlaub wirksam durch die Beklagte genehmigt wurde. Es verweist hier auf einen ähnlich gelagerten Fall, mit dem sich das LArbG Düsseldorf auseinandergesetzt hat (LArbG Düsseldorf, Urt. v. 08.05.1970 – 3 Sa 89/70 – DB 1970, 1136). In dem dort zugrunde liegenden Fall sollten sich die Arbeitnehmer in eine Urlaubsliste eintragen. Das LArbG Düsseldorf ging davon aus, dass die in diese Liste eingetragenen Urlaubstage spätestens einen Monat nach Eintragung als genehmigt anzusehen sind, wenn der Arbeitgeber dem Urlaub nicht widerspricht.
Dies wollte das ArbG Chemnitz auf den dem hier besprochenen Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt entsprechend anwenden. Dabei hat das Arbeitsgericht jedoch übersehen, dass die Klägerin ihre Wünsche dem für sie zuständigen Leiter mitteilen sollte, der aus den Urlaubswünschen aller Arbeitnehmer seines Bereiches sodann einen Urlaubsplan erstellte. Da dieser Urlaubsplan von den Vorgesetzten der Arbeitnehmer erstellt wurde, ist diese Eintragung schon direkt als Genehmigung des Urlaubs anzusehen. Hätte der Leiter gegen den Urlaubswunsch Einwendungen gehabt, so hätte er den Urlaub gar nicht erst in den Urlaubsplan eingetragen oder den Plan mit entsprechenden Hinweisen veröffentlicht.

D. Auswirkungen für die Praxis

Für den Arbeitgeber ist dieses Urteil eine deutliche Warnung, Urlaubsregelungen sauber zu gestalten und zu formulieren. Die Regelungen müssen so gestaltet sein, dass den Arbeitnehmern klar ist, wann und wie der Urlaub genehmigt wird. Auch darf der zeitliche Rahmen für die Arbeitnehmer nicht so gestaltet werden, dass eine vernünftige Urlaubsplanung verhindert wird.
Wenn eine solche Regelung gefunden ist, muss – „zur Not“ auch mit anwaltlichem Rat – sichergestellt werden, dass die Regelung klar und unzweideutig formuliert wird. Aus der Urteilsbegründung wird deutlich, dass das ArbG Chemnitz die Urlaubsregelung für rechtmäßig gehalten hätte, wenn sie so formuliert worden wäre, wie sie vom Arbeitgeber gedacht und gelebt wurde (d.h. die „5-Tages-Frist“ als spätestes Datum des Urlaubsantrags nicht als genaues Datum). Die Niederlage vor Gericht wäre also vermeidbar gewesen.
Auch sollten Arbeitgeber (anders als die Beklagte) darüber nachdenken, mit ihrem Betriebsrat zusammen eine Urlaubsregelung aufzustellen, um so dem engen Korsett der AGB-Kontrolle zu entkommen (so denn der Betriebsrat kooperationsbereit ist).

AGB-Kontrolle von Urlaubsregelungen und Urlaubsgenehmigung durch Eintragung in einen Urlaubsplan
Thomas HansenRechtsanwalt
AGB-Kontrolle von Urlaubsregelungen und Urlaubsgenehmigung durch Eintragung in einen Urlaubsplan
Birgit OehlmannRechtsanwältin

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