Nachfolgend ein Beitrag vom 20.3.2019 von Boemke, jurisPR-ArbR 11/2019 Anm. 3
Leitsatz
Nach § 666 BGB ist der Schmiergeldempfänger verpflichtet, seinem Arbeitgeber Rechenschaft abzulegen. Dieser Rechenschaftspflicht steht die Beweislastverteilung im Schadensersatzprozess nicht entgegen.
A. Problemstellung
Vereinbart ein Arbeitnehmer mit Geschäftspartnern des Arbeitgebers die Zahlung verdeckter Provisionen, so stehen nach ständiger Rechtsprechung dem Arbeitgeber Herausgabe- bzw. Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer zu (BAG, Urt. v. 15.04.1970 – 3 AZR 259/69 Rn. 8; BAG, Urt. v. 26.02.1971 – 3 AZR 97/70 Rn. 11; BGH, Urt. v. 15.03.2001 – 5 StR 454/00 Rn. 45; BGH, Urt. v. 18.01.2018 – I ZR 150/15 Rn. 22 ff.). Die Arbeitgeberin begehrte im vorliegenden Fall für die Geltendmachung dieser Ansprüche Auskunft vom beklagten Arbeitnehmer, ob und in welchem Umfang er weitere Schmiergeldzahlungen erhalten hat, die ihr noch nicht bekannt waren. Das LArbG Köln hatte sich daher mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer Auskunft über den Umfang erhaltener Schmiergeldzahlungen verlangen kann.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten um Zahlungsforderungen und Auskunftsansprüche der Arbeitgeberin gegen den Arbeitnehmer im Zusammenhang mit verdeckten Provisionen. Der Beklagte war als ausgebildeter Architekt etwa vier Jahre lang bei der Klägerin als Projektleiter in Vollzeit beschäftigt. In der Zeit soll er bei Verhandlungen mit den Geschäftspartnern der Klägerin geheime Absprachen getroffen haben, wonach der Klägerin erhöhte Rechnungen gestellt wurden. Die Differenz zwischen dem von ihr gezahlten Betrag und dem Preis nach Abzug der verdeckten Provision sollen die Vertragspartner dann an den Beklagten rückvergütet haben. Um diese Kick-back-Zahlungen zu verdecken, habe der Beklagte Scheinrechnungen erstellt, laut denen er für die Unternehmen Dienstleistungen auf selbstständiger Basis erbracht habe. Die Klägerin verlangte sowohl Schadensersatz als auch Auskunft darüber, ob, wann und in welchem Umfang der Beklagte Zahlungen von anderen Geschäftspartnern der Klägerin erhalten hat. Das Amtsgericht hat dem Zahlungsanspruch in erster Instanz vollumfänglich stattgegeben, den Auskunftsanspruch hingegen abgewiesen.
Die von der Klägerin hiergegen gerichtete Berufung war vor dem LArbG Köln erfolgreich.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Beklagte umfassend zur Auskunft verpflichtet.
I. Das Berufungsgericht zog bei seiner Entscheidungsfindung entgegen der ersten Instanz nicht den allgemeinen Auskunftsanspruch auf Grundlage des § 242 BGB heran, sondern sah vielmehr die Voraussetzungen von § 666 BGB als erfüllt an. Danach sei der Beauftragte verpflichtet, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Der Beklagte handelte hier zwar nicht als Beauftragter i.S.d. § 666 BGB, soll aber gemäß § 687 Abs. 2 BGB als solcher angesehen werden.
II. Voraussetzung sei zunächst, dass es sich bei dem Verhalten des Beklagten um eine unerlaubte Fremdgeschäftsführung handele. Er handelte bei den Vertragsschlüssen mit den Geschäftspartnern für seine Arbeitgeberin, sodass diese Geschäfte für ihn selbst fremd i.S.d. § 687 BGB seien. Schließe er im eigenen Namen zudem eine ihn begünstigende Sondervereinbarung ab (hier in Gestalt von Provisionsabreden), dringe er dabei in den Interessenbereich der Arbeitgeberin ein. „Soweit der Mitarbeiter bei der Besorgung eines solchen für ihn fremden Geschäfts zugleich im eigenen Namen mit dem Vertragspartner der Arbeitgeberin eine ihn begünstigende Sondervereinbarung (z.B. Provisionsabrede) trifft, greift er in den Interessenbereich seines Arbeitgebers ein und behandelt gleichzeitig das fremde Geschäft teilweise als sein eigenes. Er wird damit ein Fremdgeschäftsführer im Sinne der Vorschrift.“ (Rn. 134).
Zudem war der Beklagte zur Vereinbarung dieser Sondervergütungen nicht berechtigt. Dies war ihm auch bewusst. Entgegen der Behauptung des Beklagten handele es sich bei den Zahlungen nicht um Vergütungen für auf selbstständiger Basis erbrachte Dienstleistungen, sondern um verdeckte Provisionen. Die Vereinbarung solcher Kick-back-Zahlungen stelle einen Verstoß gegen die guten Sitten dar und sei sowohl unerlaubt i.S.d. § 687 BGB als auch nichtig gemäß § 138 Abs. 1 BGB (BGH, Urt. v. 14.12.1972 – II ZR 141/71 Rn. 10; BGH, Urt. v. 16.01.2001 – XI ZR 113/00 Rn. 18; BGH, Urt. v. 18.01.2018 – I ZR 150/15 Rn. 23). Im Rahmen einer Unrechtsvereinbarung werde dabei einem Angestellten des Auftraggebers ein Vorteil mit dem Ziel angeboten, versprochen oder gewährt, den Auftragnehmer des Arbeitgebers zukünftig unlauter zu begünstigen (BGH, Urt. v. 18.06.2003 – 5 StR 489/02 Rn. 23; BGH, Urt. v. 18.01.2018 – I ZR 150/15 Rn. 24). Durch die Zuwendung der Vorteile werde der Begünstigte so beeinflusst, dass er die Interessen seines Auftraggebers nicht mehr mit der gebotenen Gewissenhaftigkeit wahrnehmen könne, was letztlich dazu führe, dass er auch zum Interessenvertreter desjenigen werde, der die Sondervergütung an ihn geleistet habe (BAG, Urt. v. 15.04.1970 – 3 AZR 259/69 Rn. 12). Zudem spreche der Anscheinsbeweis dafür, dass ohne die Abrede die dem Arbeitnehmer gezahlten Mittel dem Arbeitgeber zugeflossen wären und er somit um diesen Betrag geschädigt sei (BGH, Urt. v. 07.01.1963 – VII ZR 149/61 Rn. 24; LArbG Köln, Urt. v. 16.11.1995 – 6 Sa 713/95 LS. 1).
III. Die Klägerin ist nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nachgekommen. In seinen Ausführungen geht das Landesarbeitsgericht fast lehrbuchartig auf § 138 ZPO ein, um darzulegen, weshalb ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen von Seiten des Beklagten keinesfalls ausreichend ist. Zum einen widerspreche dies nicht nur § 138 Abs. 4 ZPO, das Vorgehen genüge auch nicht der gesteigerten Darlegungslast, die den Beklagten hier treffe. Je näher eine Partei dem streitigen Sachverhalt sei und je eher er in ihrer Wahrnehmung, nicht in der der anderen Seite liege, umso höher seien die Anforderungen an die Darlegungslast der sachnäheren Partei (BGH, Urt. v. 02.07.2009 – III ZR 333/08 Rn. 14; von Selle in: BeckOK-ZPO, § 138 Rn. 24). Wenn es um Rechnungen über vom Beklagten erbrachte Dienstleistungen gehe, könne nur er Kenntnis davon haben, nicht die Klägerin. Daher sei es an ihm, den Sachverhalt aufzuklären und die Behauptungen der Klägerin zu widerlegen. Dies sei ihm jedoch nicht gelungen. Im Gegenteil sei das Landesarbeitsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte lüge. Allein aus zeitlicher Hinsicht sei es unmöglich, die behauptete Nebentätigkeit im Rahmen von sechs bis acht Stunden pro Tag neben einer Vollzeitbeschäftigung zu erbringen. Zudem gebe es keine schriftlich festgehaltenen Vereinbarungen mit seinen Vertragspartnern. Die von ihm zum Beweis vorgelegten Dokumente seien aus dem Internet eilig zusammenkopierte Machwerke.
C. Kontext der Entscheidung
I. Die Entscheidung reiht sich in die bisherige Linie der Rechtsprechung ein, wonach dem Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer bei Entgegennahme von verdeckten Provisionen sowohl ein Auskunftsanspruch aus § 666 BGB als auch ein Herausgabeanspruch nach § 667 BGB zusteht. Lediglich die dogmatische Herleitung dieser Ansprüche wird teilweise unterschiedlich beurteilt.
In älteren Entscheidungen des BGH wurde § 667 i.V.m. § 675 BGB herangezogen. Danach ist der Arbeitnehmer gehalten, das herauszugeben, was er in Ausführung der ihm von seiner Firma erteilten Geschäftsbesorgungsaufträge erlangt hat (BGH, Urt. v. 29.10.1962 – II ZR 194/60 Rn. 9; BGH, Urt. v. 07.01.1963 – VII ZR 149/61 Rn. 15; BGH, Urt. v. 24.02.1982 – IVa ZR 306/80 Rn. 21; so schon RG, Urt. v. 27.04.1920 – III 411/19 – RGZ 99, 31; zustimmend Reinecke, ZTR 2007, 414; Riesenhuber in: BeckOGK, Stand: 01.09.2018, § 667 BGB Rn. 27). Dabei wird jedoch verkannt, dass die Gelder nicht aus, sondern nur anlässlich der Geschäftsbesorgung erlangt wurden und deren Entgegennahme sogar im Widerspruch zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung steht.
Die neueren Entscheidungen (BGH, Urt. v. 15.03.2001 – 5 StR 454/00 Rn. 45; BGH, Beschl. v. 20.03.2014 – 3 StR 28/14 Rn. 5) schließen sich nun der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte an, die diese Fälle als unechte Geschäftsführung ohne Auftrag einordnen und Ansprüche auf Auskunft und Herausgabe auf die §§ 666, 667 i.V.m. den §§ 681 Satz 2, 687 Abs. 2 Satz 1 BGB stützen (BAG, Urt. v. 15.04.1970 – 3 AZR 259/69 Rn. 8; BAG, Urt. v. 26.02.1971 – 3 AZR 97/70 Rn. 11; LArbG Hamm, Urt. v. 06.06.2007 – 18 Sa 83/07 Rn. 31; LArbG München, Urt. v. 08.05.2012 – 6 Sa 957/11 Ls. 1; LArbG Hannover, Urt. v. 14.09.2005 – 15 Sa 1610/03 Rn. 49 ff.; zustimmend Bauer/Krets, BB 2002, 2066, 2067; Kania in: Küttner, Personalbuch 2018, 25. Aufl. 2018, Schmiergeld Rn. 8; Raif, SAE 2007, 166, 168; Stück, GmbHR 2016, 561, 570; a.A. wohl BVerwG, Urt. v. 31.01.2002 – 2 C 6/01 Rn. 12). Ist ein Arbeitnehmer befugt, selbstständig Verträge für den Arbeitgeber abzuschließen und die Vertragsbedingungen auszuhandeln, so seien dies für ihn fremde Geschäfte. Wenn er dabei für ihn günstige Sondervereinbarungen trifft, greife er in den Interessenbereich des Arbeitgebers ein, wodurch er das eigentlich fremde Geschäft nun teilweise als sein eigenes behandele. Demnach sei er bei der Entgegennahme von Schmiergeldern als Fremdgeschäftsführer anzusehen. Diese Argumentation lässt jedoch außer Acht, dass diese Vereinbarung nicht in den Geschäftskreis des Arbeitgebers fällt und die Entgegennahme der Beträge von den Beteiligten als eigenes Geschäft des Arbeitnehmers behandelt wird. Zudem erscheint die Annahme eines Herausgabeanspruchs auch dann widersprüchlich, wenn dies zwar bei größeren Vorteilen angenommen wird, Trinkgelder hiervon aber nach h.M. ausgenommen werden (darauf hinweisend Schäfer in: MünchKomm BGB, § 667 Rn. 12). Überzeugender ist es daher, einen Herausgabeanspruch abzulehnen (ausführlich Schäfer in: MünchKomm BGB, § 667 Rn. 12). Dem Arbeitgeber bleibt es unbenommen, Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer geltend zu machen.
II. Im Hinblick auf die Ausführungen bezüglich der Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast ist dem LArbG Köln, welches sich an den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert, umfänglich zuzustimmen. Dabei ist im Einzelnen auf zwei unterschiedliche Aspekte einzugehen.
1. Zu einem Aspekt nahm das Landesarbeitsgericht nur in seinem Leitsatz Stellung. Die Vorinstanz, die als Grundlage für einen Auskunftsanspruch nur § 242 BGB sah, verneinte noch dessen Bestehen, weil ansonsten die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast verletzt werden würden. Einer der Grundsätze des Prozessrechtes ist es, dass keine Partei gehalten ist, der anderen Seite das Material zu verschaffen, welches diese für ihren Prozesssieg benötigt, soweit sie dieses nicht bereits selbst besitzt (BGH, Urt. v. 26.06.1958 – II ZR 66/57; BGH, Urt. v. 11.06.1990 – II ZR 159/89 Rn. 9). Die Klägerin verlangt hier Auskunft darüber, vom wem der Beklagte weitere Kick-back-Zahlungen erhalten hat. Dieses Wissen benötigt sie für die erfolgreiche Geltendmachung von Herausgabe- und Schadensersatzansprüchen. Somit würde der Beklagte bei entsprechender Auskunft ihr zu einem weiteren Prozesssieg gegen ihn selbst verhelfen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Partei nach materiellem Recht ein Auskunftsanspruch zusteht. Insofern werden die prozessualen Beweislastgrundsätze nicht berührt (BGH, Urt. v. 11.06.1990 – II ZR 159/89 Rn. 9; Greger in: Zöller, ZPO, Vor § 284 Rn. 36). Hier nahm das Landesarbeitsgericht von seinem dogmatischen Ausgangspunkt zutreffend einen Auskunftsanspruch auf Grundlage des § 666 i.V.m. den §§ 681 Satz 2, 687 Abs. 2 Satz 1 BGB an, sodass kein Verstoß gegen die allgemeine Darlegungs- und Beweislastverteilung vorliegt.
2. Ausführlicher hingegen widmete sich das LArbG Köln dem Aspekt der sekundären Darlegungslast. Steht die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes und muss Umstände darlegen, die zu dem ihrem Einblick entzogenen Bereich des Prozessgegners gehören, trifft diesen eine sekundäre Behauptungslast, wenn er alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH, Urt. v. 11.06.1990 – II ZR 159/89 Rn. 10; BGH, Urt. v. 18.01.2018 – I ZR 150/15 Rn. 30; Greger in: Zöller, ZPO, Vor § 284 Rn. 34). Dies ändert nichts an den Grundsätzen der Beweislast; vielmehr soll eine Beweislastentscheidung gerade verhindert werden (Greger in: Zöller, ZPO, Vor § 284 Rn. 34). Sollte der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast genügen, so trifft den Anspruchssteller im Weiteren die volle Beweislast. Gelingt es dem Anspruchsgegner hingegen nicht substantiiert zu erwidern oder beschränkt er sich auf bloßes Bestreiten, gilt die Behauptung des Anspruchsstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BGH, Urt. v. 10.03.1986 – II ZR 107/85 Rn. 17; BGH, Urt. v. 18.01.2018 – I ZR 150/15 Rn. 30; Prütting in: MünchKomm ZPO, § 286 Rn. 103). Gerade in Fällen, bei denen es um den Nachweis von Abreden über Schmiergeldzahlungen geht, trifft den Anspruchsgegner diese sekundäre Darlegungslast. Dem Geschädigten dürfte es im Allgemeinen schwerfallen vorzubringen, dass geheime Vereinbarungen getroffen wurden. Solche werden nur selten schriftlich und, wenn doch, für den Arbeitgeber nicht zugänglich aufbewahrt. Daher lässt es die Rechtsprechung zunächst ausreichen, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorgetragen werden, die auf ein derartiges Vorgehen schließen lassen (vgl. nur BGH, Urt. v. 18.01.2018 – I ZR 150/15).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung. Auskunftsansprüche in Bezug auf Tatsachen, die für die Geltendmachung von Herausgabe- und Schadensersatzansprüchen gebraucht werden, stehen der allgemeinen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht entgegen. Zudem genügt die klägerische Partei der ihr obliegenden Darlegungslast, wenn sie hinreichende Anhaltspunkte dafür vorbringen kann, dass geheime Absprachen getroffen wurden. Es ist dann an der beklagten Partei, dies durch einen substantiierten Vortrag zu widerlegen, um dem Kläger wieder die volle Beweislast aufzubürden.
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