Nachfolgend ein Beitrag vom 17.8.2018 von Wahlers, jurisPR-ITR 16/2018 Anm. 3

Orientierungssatz

Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ist grundsätzlich geeignet, sowohl eine ordentliche verhaltensbedingte als auch eine außerordentliche Kündigung „an sich“ zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an. Maßgebend ist die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 241 Abs. 2 BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers.

A. Problemstellung

Smartphones sind weit verbreitet und bieten dem Besitzer vielfältige technische Nutzungsmöglichkeiten. Im Arbeitsverhältnis kann die unreflektierte Nutzung von Smartphones jedoch zu schwerwiegenden rechtlichen Konsequenzen bis hin zur wirksamen außerordentlichen Kündigung führen.
Das LArbG Frankfurt hatte über einen Fall der missbräuchlichen Nutzung eines Smartphones durch einen Arbeitnehmer zu entscheiden. Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs mit dem Smartphone durch einen Mitarbeiter wurde vom Arbeitgeber zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung genommen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Gegenstand der Klage waren verschiedene Abmahnungen, eine außerordentliche Kündigung sowie eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche verhaltensbedingte Kündigung.
Der Kläger war bei der Beklagten mehr als 25 Jahre beschäftigt und nach den einschlägigen Regelungen des TVöD-F (VKA) ordentlich bereits unkündbar. Am 25.11.2015 erhielt der Kläger eine erste Abmahnung, da er Vorgesetzte und Arbeitskollegen in einer E-Mail als „Low-Performer-Burnout und faule Mistkäfer“ bezeichnet hatte. Am 17.03.2016 folgten zwei weitere gleichgelagerte Abmahnungen. Der Kläger sollte wiederum Mitarbeiter der Beklagten beleidigt haben. Hinzu kam eine Drohung gegenüber einer Kollegin. Die Beklagte führte aufgrund dieser Vorfälle am 17.03.2016 ein Personalgespräch mit dem Kläger. In einer späteren E-Mail legte der Kläger offen, dass er das Personalgespräch mit seinem Smartphone aufgezeichnet hatte. Nach der erforderlichen Anhörung des Betriebsrats sprach die Beklagte aufgrund der heimlichen Aufzeichnung des Gesprächs am 07.06.2016 eine außerordentliche und fristlose, hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende, aus.
Das Arbeitsgericht hatte die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Auch die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das LArbG Frankfurt hat die Wirksamkeit der Kündigung bejaht. Auch die gegen die Abmahnungen gerichteten Anträge des Klägers wurden zurückgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht bestätigt in seiner Entscheidung das Vorliegen einer wirksamen außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 BGB. Das heimliche Mitschneiden eines Personalgesprächs stellt nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB dar, der geeignet ist, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden. Das Gericht sieht durch die Handlung des Arbeitnehmers das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 GG gewährleistete Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes verletzt. Jedermann darf demnach selbst bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll, sowie ob und von wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf. Durch den heimlichen Mitschnitt des Personalgesprächs wurde dieses grundgesetzlich gewährte Recht verletzt. Die strafrechtliche Einordnung des Verhaltens des Arbeitnehmers lässt das Gericht dabei als unerheblich offen. Die heimliche Aufnahme begründet nach Wertung des Gerichts unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, sein Gegenüber auf die Durchführung der Aufnahme hinzuweisen. Das Landesarbeitsgericht weist auch den Einwand des Klägers, er habe erst später durch Hinweis seines Anwalts von der Rechtswidrigkeit seines Handelns Kenntnis erlangt, als unbeachtlich zurück.
Auch die im Rahmen der außerordentlichen Kündigung erforderliche Interessenabwägung fällt zuungunsten des Klägers aus. Auch die lange Betriebszugehörigkeit führe nicht zu einer für den Kläger positiven Interessenabwägung. Das Arbeitsverhältnis sei durch die vorherigen beleidigenden Aussagen des Klägers bereits schwer belastet gewesen.

C. Kontext der Entscheidung

Das LArbG Frankfurt hat die Berufung in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung zurückgewiesen. Das BAG hat in verschiedenen grundlegenden Entscheidungen zutreffend festgestellt, dass der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urt. v. 19.07.2012 – 2 AZR 989/11). Das BAG überträgt den grundgesetzlich vorgegebenen Grundsatz, dass das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen nicht heimlich mitgeschnitten werden darf, auch auf das Arbeitsverhältnis. Die Vertraulichkeit des Wortes ist auch durch den Arbeitnehmer zu schützen. Die Verletzung dieses Gebotes durch den Arbeitnehmer stellt daher einen Verstoß gegen die aus § 241 Abs. 2 BGB resultierenden gegenseitigen Rücksichtspflichten im Arbeitsverhältnis dar. Das Landesarbeitsgericht und auch das BAG lassen dabei strafrechtliche Erwägungen bewusst außen vor. Die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes kann gemäß § 201 StGB strafbar sein. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zieht mögliche strafrechtliche Erwägungen bei der Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes meist jedoch nur ergänzend hinzu und bildet spezifisch arbeitsrechtliche Grundsätze. Der Bejahung eines wichtigen Grundes durch das Landesarbeitsgericht ist uneingeschränkt zuzustimmen.
Auch die weiteren Wertungen des Gerichts, insbesondere im Hinblick auf den vermeintlichen Rechtsirrtum des Klägers, sind rechtsfehlerfrei. In der betrieblichen Praxis ist – auf beiden Seiten – von einer hohen Dunkelziffer heimlich aufgezeichneter Gespräche auszugehen. Arbeitnehmer und Arbeitgebervertreter sind sich jedoch oft der Schwere der damit verbundenen Pflichtverletzungen nicht bewusst. Auch der Kläger beruft sich vorliegend erfolglos darauf, er sei sich der Rechtswidrigkeit seiner Handlung nicht bewusst gewesen. Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht das Vorliegen eines entsprechenden Rechtfertigungsgrundes jedoch zurück. Ein entschuldbarer Rechtsirrtum kann nach ständiger Rechtsprechung des BAG nur in seltenen Ausnahmefällen bejaht werden. Nach Rechtsprechung des BAG gilt, dass ein unverschuldeter Rechtsirrtum nur vorliegt, wenn der Schuldner seinen Irrtum auch unter Anwendung der zu beachtenden Sorgfalt nicht erkennen konnte (BAG, Urt. v. 17.11.2016 – 2 AZR 730/15). Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Ein entschuldbarer Rechtsirrtum liegt nur dann vor, wenn der Schuldner mit einer Rechtsverletzung nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu rechnen brauchte (BAG, Urt. v. 17.11.2016 – 2 AZR 730/15). Demnach hätte sich der Kläger vorab über die Zulässigkeit seines Verhaltens informieren müssen, zum Beispiel durch Anfrage bei einem Anwalt. Das Landesarbeitsgericht verneint daher zutreffend die Rechtfertigungsversuche des Klägers.
Das Gericht trifft keine Aussagen zu dem Umstand, dass der Kündigung keine einschlägige Abmahnung vorausging. Hier wären Darlegungen des Gerichts zu erwarten gewesen, zumal der Kläger vorgab, dass die Rechtsverletzung für ihn nicht erkennbar war. Im Ergebnis ist jedoch gut vertretbar, dass aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich war. Der Kläger musste davon ausgehen, dass die heimliche Aufzeichnung eines vertraulichen Personalgesprächs auch ohne vorherige Abmahnung zu einer Kündigung durch die Beklagte führen würde (vgl. hier auch LArbG Mainz, Urt. v. 03.02.2016 – 7 Sa 220/15).

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil zeigt, dass nicht nur Arbeitgeber bei der Nutzung moderner technischer Geräte auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte achten müssen. Die Mehrzahl der einschlägigen Entscheidungen behandelt den rechtwidrigen heimlichen Einsatz von Software oder sonstigen technischen Überwachungseinrichtungen durch Arbeitgeber und die damit oftmals verbundenen schwerwiegenden Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer (vgl. LArbG Hamm, Urt. v. 17.06.2016 – 16 Sa 1711/15, dazu: Wahlers, jurisPR-ITR 22/2016 Anm. 5). Allzu oft wird dabei jedoch übersehen, dass auch Arbeitnehmer verpflichtet sind, die Persönlichkeitsrechte des Arbeitgebers und seiner Vertreter zu wahren und ansonsten empfindliche Sanktionen drohen.

Außerordentliche Kündigung wegen Mitschnitts eines Personalgesprächs mit dem Smartphone
Thomas HansenRechtsanwalt
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