Nachfolgend ein Beitrag vom 22.11.2017 von Weber-Grellet, jurisPR-ArbR 47/2017 Anm. 1

Leitsatz

Der Arbeitgeber kann sich auf den besonderen Erfüllungseinwand des Abzugs und der Abführung von Lohnsteuer nur für den abzurechnenden Kalendermonat und ggf. als Korrektur für den Vormonat berufen.

A. Problemstellung

Der Fall betrifft die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber eine als unzutreffend erkannte Lohnsteueranmeldung im Nachhinein noch korrigieren kann und ob der Arbeitnehmer die Fehlerhaftigkeit der Lohnsteueranmeldung – in Gestalt eines offenen Vergütungsanspruchs – vor dem Arbeitsgericht geltend machen kann.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger war von Juli 2006 bis Juni 2015 bei der Beklagten als Verkaufsmitarbeiter beschäftigt. Die Beklagte stellte dem Kläger einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Bis 31.12.2010 versteuerte die Beklagte den geldwerten Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens auf der Grundlage von Fahrtenbüchern; danach berücksichtigte sie monatlich einen zu versteuernden geldwerten Vorteil i.H.v. 300 Euro bzw. später 375 Euro. Mit Gehaltsabrechnung für Mai 2015 führte die Beklagte eine Neuberechnung des von Januar 2011 bis April 2015 gewährten geldwerten Vorteils für die Privatnutzung des Dienstwagens auf Basis der sog. 1%-Regelung und der tatsächlichen Fahrtstrecke vom Wohnort zur Arbeitsstätte durch. Danach ergab sich – nach Abzug der bislang berücksichtigten Pauschalen – ein zu versteuernder Betrag i.H.v. 25.704,80 Euro. Die Beklagte berücksichtigte in den Gehaltsabrechnungen für Mai 2015 einen zusätzlichen geldwerten Vorteil i.H.v. 13.000 Euro brutto und für Juni 2015 i.H.v. 12.704,80 Euro brutto. Aus diesen erhöhten Bruttobeträgen errechnete sie die zu zahlende Lohnsteuer für Mai 2015 i.H.v. 7.015,08 Euro und für Juni 2015 i.H.v. 6.891,08 Euro, so dass der Kläger keine Vergütung ausgezahlt erhielt. Der Kläger machte geltend, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, den geldwerten Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens nach der 1%-Regelung zu berechnen und eine Nachberechnung für mehrere Jahre vorzunehmen. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab; die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg (LArbG Stuttgart, Urt. v. 11.02.2016 – 18 Sa 58/15).
Das BAG hat der Revision des Klägers stattgegeben. Es hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Über den Erfolg der Zahlungsklage könne das BAG aufgrund der fehlenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
Vergütungsansprüche des Klägers für Mai und Juni 2015 seien unstreitig entstanden. Solche habe die Beklagte den von ihr erteilten Gehaltsabrechnungen zugrunde gelegt. Ob die Vergütungsansprüche nach § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen seien, bedürfe weiterer Feststellungen. Erfüllung – auch nur zum Teil – könnte allenfalls durch Abführung der Lohnsteuer eingetreten sein.
Die Privatnutzung des Dienstwagens habe zu einem geldwerter Vorteil geführt (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG); die Beklagte habe grundsätzlich eine Berechnung nach der 1%-Regelung vornehmen können (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Der Lohnsteuerabzug hätte jedoch nur bei der jeweils nächstfolgenden Lohnzahlung geändert werden dürfen (§ 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Sei bereits eine Lohnsteuerbescheinigung ausgestellt worden, habe der Lohnsteuerabzug ebenfalls nicht mehr geändert werden können (§ 41c Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG). Demnach sei die Beklagte allenfalls berechtigt gewesen, etwaige noch nicht erhobene Lohnsteuer für Mai und Juni sowie ggf. für April 2015 einzubehalten.

C. Kontext der Entscheidung

Der Streitfall betrifft die Verteilung arbeits- und steuerrechtlicher Zuständigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Die Gerichte für Arbeitssachen sind grundsätzlich nicht befugt, die Berechtigung der Abzüge für Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge zu überprüfen. Bereits der RFH hatte durch Gutachten vom 03.02.1925 (I D 3/24 – RFHE 15, 239) entschieden, dass die Klage auf Zahlung von Arbeitslohn grundsätzlich ausschließlich den bürgerlichen Rechtsstreit umfasst. Das Zivilgericht würde die Grenzen seiner Zuständigkeit überschreiten und in unzulässiger Weise in das Gebiet des Steuerrechts und der Steuerbehörden hinübergreifen, wollte es sich mit dem fiskalischen Steueranspruch als solchem befassen. Durch die Vorschriften über den Lohnsteuerabzug werde die Regel, dass der Schuldner den Schuldbetrag unmittelbar an den Gläubiger zu zahlen habe, im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugunsten des Steuerfiskus teilweise durchbrochen. Die regelmäßige unmittelbare Zahlung des Arbeitslohns an den Arbeitnehmer werde in Höhe des Steuerabzugs durch eine bloß mittelbare Zahlung an ihn ersetzt.
Gemäß § 41c Abs. 1 EStG ist der Arbeitgeber nur unter engen Voraussetzungen noch berechtigt, bei der jeweils nachfolgenden Lohnzahlung den vorgenommenen Lohnsteuerabzug zu ändern, also Lohnsteuer zu erstatten oder nachträglich einzubehalten (vgl. Schmidt/Krüger, EStG, 36. Aufl. 2017, § 41a Rn. 1, 6, 7; § 41c Rn. 1 ff.; Küttner/Seidel, Personalbuch, 24. Aufl. 2017, Lohnsteueranmeldung Rn. 14, 15). In diesen Grenzen kann der Arbeitnehmer ausnahmsweise noch seinen Vergütungsanspruch geltend machen, wenn für den Arbeitgeber aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen war, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestanden hatte.
Die Lehre vom „besonderen Erfüllungseinwand“ (dazu im Einzelnen Rolfs, RdA 2013, 350) ist steuerrechtlich nicht von Bedeutung. Der Arbeitgeber muss sich seinem Arbeitnehmer gegenüber rechtfertigen, nur einen Teil des Vergütungsanspruchs ausgezahlt und den Anspruch anderweitig (nämlich durch Lohnsteuerabzug) erfüllt zu haben. Steuerrechtlich geht es indes nicht um die Erfüllung des Arbeitsverhältnisses. Die (öffentlich-rechtliche) Berechtigung zur Erhebung von Lohnsteuer (und die damit verbundene Belastung des Arbeitnehmers) ist durch die §§ 38 ff. EStG legitimiert.

D. Auswirkungen für die Praxis

1. Der Arbeitgeber ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 41c Abs. 1 EStG zur Änderung des Lohnsteuerabzugs berechtigt.
2. Nur soweit diese Änderungsbefugnis besteht, kann der Arbeitnehmer mit einer Vergütungsklage vor dem Arbeitsgericht geltend machen, dass dem Arbeitgeber aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen sei, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestanden habe.
3. Im Übrigen ist der Arbeitnehmer auf die steuerrechtlichen Rechtsbehelfe beschränkt.

Besonderer Erfüllungseinwand des Arbeitgebers bei Lohnsteuerabzug
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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