Nachfolgend ein Beitrag vom 13.4.2016 von Hamann, jurisPR-ArbR 15/2016 Anm. 3

Leitsatz

Kommt es zur Zwischenschaltung Dritter und damit zu einer sogenannten „Kettenleihe“, so ist als Entleiher allein derjenige anzusehen, bei dem der Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt wird. Denn nur dieser übt für den konkreten Einsatz das ihm übertragene arbeitsbezogene Weisungsrecht aus.

A. Problemstellung

Es kommt immer wieder vor, dass Auftragnehmer nicht über ausreichende Personalressourcen für die Durchführung eines Auftrags verfügen. Ein Ausweg besteht darin, Teile des Auftrags an ein Subunternehmen weiterzugeben. Das ist unproblematisch, wenn dies im Einverständnis mit dem Auftraggeber geschieht. Aber auch eine vertragswidrige Einschaltung eines Subunternehmers berührt die Wirksamkeit des Subunternehmervertrags nicht. Der Auftragnehmer verhält sich lediglich vertragswidrig. Der vorliegende Fall zeichnete sich dadurch aus, dass es sich bei den abgeschlossenen „Dienstleistungsverträgen“ womöglich um Arbeitnehmerüberlassungsverträge handelte und die vom Subunternehmer eingesetzte „freie Mitarbeiterin“ tatsächlich Arbeitnehmerin war. Die arbeitsrechtlichen Folgen einer solchen Konstellation hatte das LArbG Berlin-Brandenburg zu klären.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin war seit dem 01.09.2006 als Hostess in zwei Niederlassungen der Beklagten, einer Automobilherstellerin, in Berlin tätig. Während dieser Zeit stand sie nacheinander zu verschiedenen Unternehmen in vertraglichen Beziehungen, so mit einer RF, danach mit einer CBS und zuletzt ab Mitte 2013 mit der PTB. Die Verträge waren als „Subunternehmervertrag“ bzw. „Kooperationsvertrag über Dienstleistungen auf Abruf“ bezeichnet. Keiner dieser Vertragspartner verfügte über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. In den Niederlassungen der Beklagten wurden Fahrzeuge und sonstige Produkte präsentiert. Neben der Klägerin waren dort Hostessen anderer Unternehmen sowie Mitarbeiter der Beklagten selbst tätig. Die Beklagte nahm monatliche Bestellungen über die Hostessendienstleistungen bei der GSG vor. Die GSG war im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Ab September 2009 wurden mit der GSG als „Einkaufsabschluss“ bezeichnete Rahmenverträge über „Hostessen/Personaldienstleistungen“ abgeschlossen. Ob und welche vertraglichen Beziehungen zwischen der GSG und den verschiedenen Vertragspartnern der Klägerin bestanden, ist dem Tatbestand nicht zu entnehmen.
Die Einsätze der Klägerin erfolgten im Rahmen von monatlichen Dienstplänen. Diese waren zum Teil in Ordnern in den Niederlassungen der Beklagten abgelegt, zum Teil erhielt die Klägerin ihre Einsätze aber auch per E-Mail über die E-Mail Adresse der Beklagten. Die weiteren Einzelheiten zur Tätigkeit der Klägerin sind streitig. Jedenfalls wurde sie ab April 2014 nicht mehr eingesetzt. Erstmals mit Schreiben vom 24.06.2014 forderte die Klägerin die Beklagte auf, sie weiter zu beschäftigen.
Nachdem die Beklagte das abgelehnt hatte, erhob die Klägerin Klage auf Feststellung, dass seit dem 01.09.2006 ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis mit der Beklagten besteht. Das Arbeitsgericht gab dem Feststellungsantrag insgesamt statt.
Das LArbG Berlin-Brandenburg hat diese Entscheidung zunächst mit Teilurteil vom 08.09.2015 für die Zeit nach dem 12.04.2013 und hinsichtlich des Zeitraums vom 01.09.2006 bis zum 12.04.2013 mit dem vorliegenden Schlussurteil bestätigt.
Das Landesarbeitsgericht nimmt an, die Klägerin sei der Beklagten zunächst von der RF, danach von der CBS ohne erforderliche Überlassungserlaubnis zur Arbeitsleistung überlassen worden. Deshalb sei ab dem 01.09.2006 gem. den §§ 9 Nr. 1 i.V.m. 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustande gekommen.
Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des BAG zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern (z.B. BAG, Urt. v. 20.01.2010 – 5 AZR 106/09) gelangt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, die Klägerin sei im Klagezeitraum Arbeitnehmerin gewesen. Bei den Verträgen mit der RF und der CBS habe es sich entgegen der Bezeichnung um Arbeitsverträge gehandelt. Die Vertragsgegenstände seien nur allgemein beschrieben, so dass die Tätigkeit der Klägerin hätte durch Weisungen konkretisiert werden müssen. In dem Vertrag mit der CBS sei ein für Arbeitsverhältnisse typisches Weisungsrecht sogar ausdrücklich vorgesehen gewesen. Auch die Vertragsdurchführung habe derjenigen eines Arbeitsverhältnisses entsprochen. Die Klägerin sei fest in Dienstpläne eingeteilt worden, wobei für die Frage des Arbeitnehmerstatus offenbleiben könne, von wem. Auch die Art der Tätigkeit im Empfang, Service, Verkauf und Lager sei so wie für ein Arbeitsverhältnis typisch erfolgt. Der Klägerin seien hinsichtlich der Arbeitsausführung Weisungen erteilt worden, wobei wiederum offenbleiben könne, von wem.
Unter Bezugnahme auf die allgemein anerkannte Formulierung zur Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von Werk- und Dienstverträgen (z.B. BAG, Urt. v. 15.04.2014 – 3 AZR 395/11) gelangt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, die Klägerin sei der Beklagten bereits ab dem 01.09.2006 zur Arbeitsleistung überlassen worden. Sofern sich die Beklagte als Grundlage für deren Beschäftigung auf den mit der GSG abgeschlossenen Vertrag berufe, habe dieser die Überlassung von Arbeitnehmern zum Gegenstand gehabt. Schon der Vertragsgegenstand beschreibe lediglich allgemein „Hostessendienste“ und richte sich im Ergebnis auf die Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern, die nach Stundensätzen vergütet wurden. Weitere Vorgaben, etwa zur Organisation des Empfangs- und Hostessenbereichs durch GSG, seien darin nicht enthalten gewesen. Die späteren Bestellungen aufgrund der Rahmenvereinbarung aus September 2009 hätten als Gegenstand lediglich „Hostess/Personaldienstleistungen für die Niederlassung Berlin“ enthalten. Die tatsächliche Vertragsdurchführung entspreche ebenfalls einer Arbeitnehmerüberlassung. Die Beklagte habe entsprechend dem von ihr selbst ermittelten Bedarf Arbeitnehmer bei der GSG angefordert und eingesetzt. Soweit die GSG ab September 2009 verpflichtet gewesen sei, Repräsentanten als Ansprechpartner für die Beklagte in den Niederlassungen vorzuhalten, führe das nicht zur Annahme eines Werk- oder Dienstvertrags. Den Repräsentanten sei keine relevante Funktion zugekommen. Angesichts einer fehlenden Leistungsbeschreibung hätten die Repräsentanten keine eigenen Weisungen erteilen können, die auf Erfüllung der Leistungsverpflichtung der GSG gerichtet gewesen wären. Sie hätten allenfalls Weisungen der Beklagten als Boten weitergeben können. Auf die weiteren unter den Parteien streitigen Einzelheiten, z.B. wer die Arbeitskleidung zur Verfügung stellte und ob der Klägerin ein Zugangscode überlassen wurde, komme es für die Abgrenzung nicht an. Die vertraglichen und tatsächlichen Umstände rechtfertigten die Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung. Demgegenüber habe die Beklagte keine Tatschen vorgetragen, die auf eine werk- oder dienstvertragliche Beziehung schließen ließen. Hierzu wäre sie aber prozessual verpflichtet gewesen (BAG, Urt. v. 15.04.2014 – 3 AZR 395/11).
Sei die Klägerin der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden, sei gem. den §§ 9 Nr. 1 i.V.m. 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes zustande gekommen. Denn die Vertragspartner der Klägerin, die RF und die CBS, hatten keine Überlassungserlaubnis. Auf diese, nicht auf die GSG, komme es aber an. Verleiher i.S.d. §§ 9, 10 AÜG sei derjenige, der eigene Arbeitnehmer einem Entleiher zur Verfügung stelle. Das gelte auch, wenn die Entleihe über eine Kette erfolge. Denn nur der Vertragsarbeitgeber sei rechtlich und tatsächlich in der Lage, die das Leiharbeitsverhältnis kennzeichnende Übertragung des Weisungsrechts vorzunehmen. Wer lediglich in eine Verleihkette eingeschaltet sei, übe keine eigene Leitungsmacht aus und könne diese folglich nicht übertragen. Er sei lediglich Vermittler und wolle die Leiharbeitnehmer nicht für eigene Arbeitszwecke einsetzen. Eine abstrakte Übertragung des Weisungsrechts ohne zugehörigen Arbeitseinsatz sei nicht denkbar. Entleiher sei bei einer Kettenleihe allein derjenige, bei dem der Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt wird. Denn nur er übe das arbeitsbezogene Weisungsrecht aus.

C. Kontext der Entscheidung

Um zu einem kraft Gesetzes mit der Beklagten zustande gekommenen Arbeitsverhältnis zu gelangen, mussten zwei Hürden überwunden werden: Zunächst einmal galt es, die Arbeitnehmerstellung der Klägerin festzustellen; sodann musste die Klägerin der Beklagten illegal i.S.d. §§ 10 Abs. 1 i.V.m. 9 Nr. 1 AÜG zur Arbeitsleistung überlassen worden sein.
I. Die Ausführungen zur Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin fallen – gemessen an den Anforderungen, die das BAG in ständiger Rechtsprechung aufstellt (etwa BAG, Urt. v. 21.07.2015 – 9 AZR 484/14; BAG, Urt. v. 25.09.2013 – 10 AZR 282/12, m. Am. Hamann, jurisPR-ArbR 50/2013 Anm. 1), recht knapp aus. Das mag seinen Grund darin haben, dass es sich vorliegend um ein Schlussurteil handelt und die Arbeitnehmereigenschaft für die Zeit nach dem 12.04.2013 bereits rechtskräftig festgestellt worden war.
II. Folgt man dem Landesarbeitsgericht insoweit, konnte ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nur zustande kommen, wenn die Klägerin dieser illegal zur Arbeitsleistung überlassen worden war. Das Landesarbeitsgericht nimmt insoweit einen Kettenverleih an: Die RF bzw. die CBS hätten die Klägerin als Arbeitnehmerin der GSG und diese wiederum der Beklagten überlassen. Geht man einmal hiervon aus, so fragt sich, ob ein solcher Kettenverleih zu einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten führen konnte. Die Zulässigkeit des gesetzlich nicht explizit geregelten Kettenverleihs ist de lege lata umstritten. Die Bundesagentur für Arbeit (Geschäftsanweisung zum AÜG, Stand: Juli 2015, Ziff. 1.1.2 (11)) und ein Teil der Literatur (Kock in: BeckOK ArbR, § 1 AÜG Rn. 30; Ulber/J. Ulber, AÜG, 4. Aufl. 2011, § 1 Rn. 24) halten ihn für unzulässig, andere für zulässig (Boemke in: Boemke/Lembke, AÜG, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn. 14; Schüren in: Schüren/Hamann, AÜG, 4. Aufl. 2010, Einl. Rn. 331). Verneint man die Zulässigkeit des Kettenverleihs, stellt sich die Frage nach den zivilrechtlichen Folgen. Das Landesarbeitsgericht gelangt zur Anwendung der §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 AÜG, indem es den Vertragsarbeitgeber (= 1. Verleiher) als Verleiher im Sinne der Bestimmungen und den Inhaber des Einsatzbetriebs als (alleinigen) Entleiher ansieht. Zentrales Argument des Landesarbeitsgerichts ist, nur der Verleiher als Vertragsarbeitgeber sei in der Lage, die die Arbeitnehmerüberlassung kennzeichnende Übertragung des Weisungsrechts auf einen anderen Arbeitgeber, den Entleiher, vorzunehmen, nicht aber ein zwischengeschalteter Entleiher. Dieser erlange keine Weisungsbefugnis, weil er den Arbeitnehmer nicht für eigene betriebliche Zwecke einsetzen wolle. Folglich könne er eine Weisungsbefugnis auch keinem weiteren Entleiher übertragen. Ein Zwischenverleiher sei also bloßer Vermittler.
Richtig daran ist, dass sich eine Zwischenperson auf die Vermittlung von Personaldienstleistungen durch ein anderes Unternehmen beschränken kann. Dann liegt ein Maklervertrag i.S.v. § 652 BGB vor. Der Makler verpflichtet sich nicht zur Verschaffung von abhängiger Arbeit durch einen Leiharbeitnehmer, sondern er vermittelt gegen Provision die Gelegenheit zum Abschluss eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags zwischen seinem Auftraggeber und einem Verleihunternehmen. Die Annahme, dass sich die GSG vorliegend auf die Rolle eines Maklers beschränkte, ist nach den vertraglichen Vereinbarungen mit der Beklagten aber ausgeschlossen. Die Beklagte bestellte zunächst monatlich „Hostessen-Dienstleistungen“ direkt bei der GSG. In den ab September 2009 geschlossenen Rahmenverträgen sind als Leistungsgegenstände „Hostessen/Personaldienstleistungen“ aufgeführt. Ausdrücklich war festgelegt, dass der Auftragnehmer, also die GSG, die ihm übertragenen Aufträge in eigener Regie und Verantwortung ausführen sollte. Wenn die GSG Leistungen an Subunternehmer, die RF und die CBS, weitergab, dann betätigte sie sich nicht als Vermittler, sondern wollte damit ihre gegenüber der Beklagten bestehende Leistungspflicht erfüllen.
Auch die weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, nur der Vertragsarbeitgeber sei in der Lage, das Weisungsrecht einem Entleiher zu übertragen, trifft nicht zu. Sieht man als Grundlage für die Übertragung des Weisungsrechts die Abtretung des Anspruchs auf die Arbeitsleistung (etwa Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl. 2015, § 45 Rn. 11), ist der Abtretungsempfänger rechtlich in der Lage, diesen Anspruch an einen weiteren Arbeitgeber abzutreten. Nichts anderes ergibt sich, wenn man den Leiharbeitsvertrag als einen echten Vertrag zugunsten Dritter i.S.v. § 328 Abs. 1 BGB qualifiziert (Wank in: ErfKomm, 16. Aufl. 2016, AÜG Einl. Rn. 33; Schüren in: Schüren/Hamann, AÜG, Einl. Rn. 168 ff.). Der Leiharbeitnehmer verpflichtet sich darin gegenüber dem Verleiher zur Erbringung seiner Arbeit in einem Drittbetrieb nach den Weisungen des vom Verleiher bestimmten Dritten, dem Entleiher. Dieser erlangt so einen eigenen Anspruch gegen den Leiharbeitnehmer auf die Arbeitsleistung. Diesen kann er wiederum abweichend von § 613 Satz 2 BGB an einen weiteren Dritten abtreten. Der somit rechtstechnisch mögliche Kettenverleih ist nach dem AÜG nicht ausgeschlossen. Insbesondere steht § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG, wonach der Verleiher als Arbeitgeber bezeichnet wird, nicht entgegen. Der Entleiher ist zwar nicht Vertragsarbeitgeber des Leiharbeitnehmers, aber das verlangt das AÜG auch nicht. Verleiher im Sinne des AÜG ist jeder Arbeitgeber, der rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit hat, das arbeitsrechtliche Weisungsrecht einem Dritten zu verschaffen (Boemke/Lembke, AÜG, § 1 Rn. 14; Schüren in: Schüren/Hamann, AÜG, Einl. Rn. 331).
Ein Kettenverleih besteht demzufolge aus zwei hintereinander geschalteten Arbeitnehmerüberlassungen. Diese sind getrennt auf ihre Wirksamkeit hin zu prüfen (Boemke/Lembke, AÜG, § 1 Rn. 14). Daraus ergeben sich folgende Konstellationen:
1. Verfügen beide Verleiher über eine Überlassungserlaubnis, bleibt der Leiharbeitsvertrag mit dem ersten Verleiher bestehen.
2. Fehlt jeweils eine Überlassungserlaubnis, kommt zunächst gem. den §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem ersten Entleiher zustande. Da dieser als „Verleiher“ anzusehen ist, wird in entsprechender Anwendung von § 10 Abs. 1 AÜG sodann der zweite Entleiher zum Arbeitgeber. Einer unmittelbaren Anwendung steht der Wortlaut entgegen. Dieser knüpft die Fiktionsfolge an § 9 Nr. 1 AÜG und damit an die Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags. Ein solcher existiert aber zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher nicht. Es kann aber für den mit § 10 Abs. 1 AÜG bezweckten Arbeitnehmerschutz keinen Unterschied machen, ob das Arbeitsverhältnis zum Verleiher auf Vertrag oder auf Gesetz (z.B. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB; § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG) beruht.
3. Nur der erste Verleiher verfügt über eine Überlassungserlaubnis. Eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 AÜG scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus. Mit dem (ersten) überlassungsberechtigten Verleiher steht dem Leiharbeitnehmer ein zuverlässiger Arbeitgeber zur Seite. Er muss also nicht vor einem unseriösen Arbeitgeber geschützt werden.
4. Allein der Zwischenverleiher besitzt eine Überlassungserlaubnis. Auch hier kommt zwar ein Arbeitsverhältnis mit dem Zwischenverleiher, nicht aber mit dem zweiten Entleiher zustande. Mit dem Zwischenverleiher hat der Leiharbeitnehmer einen seriösen Arbeitgeber. Da die GSG im Besitz einer Überlassungserlaubnis war, hätte die Feststellungsklage folglich abgewiesen werden müssen. Da die Revision zugelassen ist, bleibt der Beklagten die Hoffnung auf eine Korrektur.
Zum 01.01.2017 ist mit einer Änderung der Gesetzeslage zu rechnen. § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG des am 17.02.2016 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vorgestellten Referentenentwurfs (künftig: AÜG-E) lautet:
„Die Überlassung von Arbeitnehmern ist nur zulässig, soweit zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht.“
Erfasst werden sowohl der offene als auch der als Werk- oder Dienstvertrag getarnte Kettenverleih. Ein Verstoß soll gemäß § 10a AÜG-E die Folgen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung nach sich ziehen, wenn der Zwischenverleiher keine Überlassungserlaubnis hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG-E), die Überlassung verdeckt erfolgt, also als Werkvertrag deklariert wird (§ 1 Abs. 1 Satz 5, 6 AÜG-E) oder die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG-E überschritten wird. Zusätzlich ist der unerlaubte Kettenverleih für die beteiligten Arbeitgeber eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld bis zur Höhe von 30.000 Euro geahndet werden kann (§ 16 Abs. 1 Nr. 1b AÜG-E). Außerdem kommen eine Nichtverlängerung der Überlassungserlaubnis bzw. ihr Widerruf gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 AÜG in Betracht. Verfügt der Zwischenverleiher über eine Überlassungserlaubnis, bleibt es beim Bußgeld und den erlaubnisrechtlichen Folgen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Für Entleiher bleibt es vorerst dabei, dass sie lediglich kontrollieren müssen, ob ihr Vertragspartner über eine gültige Überlassungserlaubnis verfügt. Allerdings genügt es hierfür nicht, sich auf die gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG in den Überlassungsvertrag aufzunehmende Versicherung des Verleihers zu vertrauen. Denn diese schützt nicht vor den Folgen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung. Hier gilt der altbewährte Grundsatz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Den sichersten Schutz bietet immer noch eine Anfrage bei der zuständigen Erlaubnisbehörde. Diese muss auf jeden Fall vor Beginn der Überlassung erfolgen. Dieselben Vorsorgemaßnahme sind übrigens zu treffen, wenn der Fremdpersonaleinsatz auf der Grundlage eines grenzwertigen Werk- oder Dienstvertrags erfolgt (zur legalisierenden Wirkung einer vorsorglichen Überlassungserlaubnis Hamann/Rudnik, NZA 2015, 449).
Angesichts der vorliegenden Entscheidung sollten Entleiher zumindest bis zu einer Klärung der Rechtsfrage durch das BAG vorsorglich sicherstellen, dass der Leiharbeitnehmer vertraglich an den Verleiher gebunden ist. Hierzu kann man den Leiharbeitnehmer befragen und sich den Leiharbeitsvertrag vorlegen lassen. Bloße Erklärungen des Verleihers sind auch hier wertlos.
Im Falle der Umsetzung des Reformvorhabens hat der Entleiher noch ein weiteres Instrument, sich vor den unliebsamen Folgen eines fingierten Arbeitsverhältnisses zu schützen. § 9 Nr. 1 AÜG-E sieht vor, dass der Leiharbeitsvertrag trotz Fehlens einer Überlassungserlaubnis nicht unwirksam ist, wenn der Leiharbeitnehmer schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Klärungsbedürftig wäre insbesondere, ob der Leiharbeitnehmer die „Festhaltenserklärung“ wirksam schon vor Beginn des Einsatzes erklären kann (zur Kritik der Reform Hamann, ArbuR 4/2016).