Nachfolgend ein Beitrag vom 31.8.2016 von Busch, jurisPR-ArbR 35/2016 Anm. 3

Leitsätze

1. Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein unter der Trennwand zwischen zwei Toilettenkabinen hindurch mittels eines Smartphones angefertigtes und unmittelbar danach gelöschtes Foto nicht willensgetragen als Folge eines Schrecks entstanden ist, liegt darin allein noch kein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Arbeitsverhältnis des Profifußballspielers bisher noch ohne Abmahnung geblieben war und das so entstandene Foto keine weitere Verbreitung gefunden hat und der von dem Foto betroffene Cheftrainer den Spieler auch weiterhin am Trainings- und Spielbetrieb teilnehmen lässt, ohne den Vorstand des Fußballvereins über den Vorgang zu informieren.
3. Der Cheftrainer der Mannschaft einer in der 3. Bundesliga spielenden Fußballmannschaft ist in seiner Funktion nicht soweit der Arbeitgeberstellung angenähert, dass von ihm erwartet werden muss, dass er grundsätzlich als Kündigungsgrund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB geeignete Vorgänge ohne schuldhaftes Zögern dem Vorstand des Fußballvereins meldet. Dies ist für den Beginn der Kündigungserklärungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB von Bedeutung.

Orientierungssatz zur Anmerkung

Der Einblick in die nebenliegende Kabine der Herrentoilette stellt in der Regel keinen Grund dar, der ohne vorherige Abmahnung den Ausspruch einer Kündigung rechtfertigt.

A. Problemstellung

Ein Profifußballspieler war fristlos gekündigt worden. Der Vorwurf war, er hätte auf der Herrentoilette mit dem Handy ein Foto seines Cheftrainers in der Nebenkabine aufgenommen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger war in der Dritten Liga als Fußballspieler beschäftigt. Der Arbeitsvertrag war befristet und enthielt keine Klausel, nach der eine ordentliche Kündigung während der Laufzeit zulässig gewesen wäre.
Auslöser des Streits war ein Vorfall am 26.04.2014 auf der Herrentoilette eines Hotels, in dem die Mannschaft vor einem Spiel untergebracht war. Der Kläger befand sich auf der Toilette und hörte, dass auch die Nachbarkabine betreten wurde. Er nutzte sein Handy, um damit durch den unteren Spalt zwischen der Trennwand mit der Kamerafunktion in die Nachbarkabine zu sehen. Hierbei löste sich auch die Fotofunktion aus. In der Nachbarkabine befand sich der Cheftrainer der Mannschaft. Dieser bemerkte den Vorfall und sprach den Kläger „lautstark“ an, woraufhin dieser sich entschuldigte und das Foto löschte.
Der Kläger meint, er habe überhaupt kein Foto machen wollen. Er habe gedacht, in der Nachbarkabine sei ein Mannschaftskamerad. Mit diesem habe er sich über das bevorstehende Spiel besprechen wollen; um sicherzugehen, dass er keine Interna ausplaudert, habe er sich mit Hilfe des Handys überzeugen wollen, dass die Person in der Nachbarkabine die „richtigen“ Turnschuhe trägt. Bei einem Profifußballer erscheint dieser Gedankengang nicht abwegig.
Als der Toilettennachbar das Handy bemerkt und sich laut beschwert hatte, sei er derart erschrocken, dass er aus Versehen ein Foto gemacht habe.
Der Verein meinte, der Kläger habe absichtlich ein Foto seines Trainers auf der Toilette angefertigt und hierbei den Straftatbestand des § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen) erfüllt. Als Arbeitgeber müsse er den Trainer und andere Beschäftigte vor derartigem Fehlverhalten des Klägers schützen.
Ob auf dem sofort gelöschten Foto nur die Schuhe oder auch mehr vom Cheftrainer zu sehen war, blieb offen.
Nach dem 26.04.2014 setzte der Cheftrainer den Kläger weiterhin in der Mannschaft ein.
Am 14.05.2014 informierte der Cheftrainer ein Mitglied des Vereinsvorstands über den Vorfall. Am 15.05.2014 entschied der Vorstand, den Kläger fristlos zu kündigen. Am 21.05.2014 wurde die fristlose Kündigung ausgesprochen.
Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt. Auch vor dem LArbG Saarbrücken blieb der Verein als Arbeitgeber ohne Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht argumentiert wie folgt:
Das Gericht habe ein Sachverständigengutachten eingeholt. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass in der geschilderten Situation die versehentliche Auslösung der Fotofunktion jedenfalls möglich war.
Der Verein habe zwar die Zweiwochenfrist des § 626 BGB eingehalten. Diese beginne mit Kenntnis des Vorfalls entweder durch eine kündigungsberechtigte Person oder aber eine Person, die eine Stelle im Betrieb innehat, bei der zu erwarten ist, dass die Person den Kündigungsberechtigten unverzüglich unterrichtet. Der fotografierte Cheftrainer sei nicht kündigungsberechtigt und hätte auch keine derart herausgehobene Stellung, dass seine Kenntnisse dem Vorstand zugerechnet werden könnten.
Die Kündigung sei aber unwirksam, da es keinen wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB gebe. Der Straftatbestand des § 201a StGB sei nicht verwirklicht, da vorsätzliches Handeln des Klägers in Bezug auf das Foto nicht bewiesen sei. Die Verwendung des Handys zum bloßen Einblick in die Nachbarkabine sei nicht nach dieser Vorschrift strafbar.
Vorzuwerfen sei dem Kläger insoweit nur der Blick in die Nachbarkabine mit technischer Hilfe. Der Kläger habe nicht gewusst, wer sich dort befinde. Insbesondere sei dem Kläger nicht klargewesen, dass sich dort der Cheftrainer befinde.
Selbst wenn das Verhalten des Klägers an sich geeignet wäre, einen wichtigen Grund darzustellen, fehle es jedenfalls an einer vorherigen Abmahnung. Hier sei auch von Bedeutung, dass der Cheftrainer in den zwei Wochen nach dem Vorfall ohne Probleme mit dem Kläger zusammengearbeitet und diesen auch in Spielen eingesetzt habe. Eine erhebliche Auswirkung des Vorfalls auf das Verhältnis zwischen Cheftrainer und dem Kläger war insoweit nicht festzustellen.
Im Rahmen der Interessenabwägung kam das Landesarbeitsgericht auch deshalb zu dem Ergebnis, eine fristlose Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung gehe hier zu weit. Zwar sei das Verhalten des Klägers eine Missachtung des Persönlichkeitsrechts, es sei jedoch nicht erkennbar, dass sich dieses Verhalten durch eine Abmahnung nicht unterbinden ließe.
Eine Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung kam nicht in Betracht, da es hierfür nach § 15 TzBfG eine Vereinbarung gebraucht hätte, die die ordentliche Kündigung des befristeten Arbeitsverhältnisses zulässt. Weiterhin wäre auch diese daran gescheitert, dass eine vorherige Abmahnung fehlte.

C. Kontext der Entscheidung

Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die jedoch einige Grundsätze des Kündigungsrechts nochmals bekräftigt.

D. Auswirkungen für die Praxis

Das heimliche Fotografieren bzw. Anschauen des Nebenmannes auf der Herrentoilette scheint kein Problem zu sein, welches sich den Arbeitsgerichten häufig stellen wird. Vorliegend hatte keine der Parteien einen sexuellen Kontext der Handlungen des Klägers auch nur angedeutet. Wäre dieser vorhanden gewesen, wäre die Sache auch als sexuelle Belästigung zu diskutieren gewesen, was eine andere Entscheidung möglich gemacht hätte.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht befasst sich weiterhin mit den Annahmeverzugslohnansprüchen des Klägers sowie der Anrechnung erhaltenen Arbeitslosengeldes hierauf.