Nachfolgend ein Beitrag vom 16.11.2016 von Klostermann-Schneider, jurisPR-ArbR 46/2016 Anm. 3

Orientierungssätze

1. Wird mit der die Kündigungsschutzklage abweisenden, rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Zugang der außerordentlichen Kündigung beim Arbeitnehmer endete, ist dieses Datum im Zeugnis als Beendigungsdatum zu bescheinigen. Die Prozessbeschäftigung des Arbeitnehmers ändert daran nichts.
2. Mit der Prozessbeschäftigung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung wird kein Arbeitsverhältnis begründet oder die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Wird dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung gegen seinen Willen und unter Beeinträchtigung seiner Vertragsfreiheit aufgezwungen, schließen die Parteien regelmäßig nicht durch neue Willenserklärungen ein eigenständiges Rechtsgeschäft. Es wird vielmehr ein faktisches Beschäftigungsverhältnis begründet, welches entfällt, sobald das die Weiterbeschäftigungspflicht aussprechende Urteil aufgehoben wird.

A. Problemstellung

Der Arbeitnehmer hat gemäß § 109 GewO einen Zeugnisanspruch. Inhaltlich muss das Zeugnis gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO u.a. Angaben über die Dauer der Tätigkeit enthalten. Das BAG hatte sich erstmals mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Zeiten der „erzwungenen Weiterbeschäftigung“ nach einer außerordentlichen Kündigung, die sich später endgültig als rechtswirksam erweist, ins Arbeitszeugnis aufzunehmen sind oder nicht, welches Datum also letztlich für das Ende der Dauer der Tätigkeit maßgeblich ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Dem Kläger wurde am 17.11.2011 die außerordentliche Kündigung der Beklagten zugestellt. Gegen diese Kündigung legte er Kündigungsschutzklage ein. Das Arbeitsgericht gab der Klage mit Urteil vom 20.06.2012 statt und verurteilte die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers. Ab dem 21.06.2012 wurde der Kläger dann tatsächlich weiterbeschäftigt. In der Zeit vom 18.11.2011 bis zum 20.06.2012 wurde der Kläger nicht beschäftigt. Die beklagtenseits eingelegte Berufung hatte Erfolg. Mit Urteil vom 21.01.2013 wies das Landesarbeitsgericht die Kündigungsschutzklage ab. Die im Anschluss vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wies das BAG am 20.06.2013 zurück. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 01.07.2013 zugestellt.
Zwischenzeitlich hatte die Beklagte dem Kläger ein Arbeitszeugnis ausgestellt. Es enthielt als Ausstellungsdatum den 17.11.2011, als Beschäftigungszeitraum den 01.12.1994 bis 17.11.2011 und als Ende des Arbeitsverhältnisses den 17.11.2011. Die Zeiten der Weiterbeschäftigung waren demnach nicht erfasst (Zeitraum bis zum 21.01.2013 bzw. bis zum 01.07.2013). Der Kläger klagte erneut, diesmal auf Zeugnisberichtigung. Das Zeugnis sollte nach seiner Auffassung für das Ende des Beschäftigungszeitraums, das Ende des Arbeitsverhältnisses und das Ausstellungsdatum jeweils den 30.06.2013, hilfsweise den 28.06.2013 und äußerst hilfsweise den 23.01.2013 ausweisen.
Das BAG verweigerte wie schon das Landesarbeitsgericht die begehrte Zeugnisänderung. Es verstieße gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit, wenn dem Anspruch des Klägers nachgekommen würde. Das Arbeitsverhältnis habe mit Zugang der außerordentlichen Kündigung am 17.11.2011 geendet. Dies sei durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts mit Rechtskraft festgestellt. Die Prozessbeschäftigung des Klägers im Zeitraum vom 21.06.2012 bis zum 23.01.2013 ändere daran nichts. Durch die Prozessbeschäftigung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung werde weder ein Arbeitsverhältnis begründet noch die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Die Beschäftigung werde dem Arbeitgeber aufgezwungen und nicht durch neue Willenserklärungen mit dem Arbeitnehmer als ein eigenständiges Rechtsgeschäft geschlossen. Es werde vielmehr ein faktisches Beschäftigungsverhältnis begründet, welches entfällt, sobald das die Weiterbeschäftigungspflicht aussprechende Urteil aufgehoben wird.
Im entschiedenen Fall kam noch hinzu, dass der Kläger erst nach Abschluss der ersten Instanz des Kündigungsschutzprozesses weiterbeschäftigt wurde. Mit der Berücksichtigung der Prozessbeschäftigungszeiten würde die Beklagte daher auch insoweit gegen die Wahrheitspflicht verstoßen. Die Prozessbeschäftigung habe erst nach einer Unterbrechung begonnen. Die Berücksichtigung würde dem Zeugnisleser suggerieren, der Kläger habe unterbrechungsfrei bis zum begehrten Beendigungszeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten gestanden.

C. Kontext der Entscheidung

Die Zeugnisrechtsprechung des BAG wird um ein weiteres Detail angereichert. Die Frage, ob „erzwungene“ Weiterbeschäftigungszeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist in das dem Arbeitnehmer zu erteilende Zeugnis hinsichtlich seines Arbeitsverhältnisses aufzunehmen sind, wenn sich die Kündigung als wirksam erweist, ist umstritten (für die Aufnahme votiert etwa Henssler in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2016, § 630 Rn. 26; dagegen votiert u.a. Müller-Glöge in: ErfKomm, 16. Aufl. 2016, § 109 GewO Rn. 28). Das BAG hat diesen Streit nun entschieden und den Zeugnisanspruch weiter konturiert. Der Entscheidung des Senats ist im Ergebnis und in der Begründung zuzustimmen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Bei der Zeugnisgestaltung ist nach der Entscheidung des BAG auf Folgendes zu achten:
Der Zeugnisanspruch umfasst nicht die Aufnahme von Prozessbeschäftigungszeiträumen, denen eine gerichtliche Verurteilung zugrunde liegt, wenn sich später mit Rechtskraft herausstellt, dass die Kündigung zu Recht erfolgte. Der Zeugnisersteller braucht solche Beschäftigungszeiten im Nachgang einer wirksamen Kündigung daher nicht in das Zeugnis aufzunehmen. Mit der Angabe solcher Zeiten würde der Arbeitgeber außerdem gegen die Pflicht zur Zeugniswahrheit verstoßen. Eine solche wahrheitswidrige Angabe kann schlimmstenfalls sogar zum Schadensersatzanspruch eines Neu-Arbeitgebers gegen den das Zeugnis ausstellenden Arbeitgeber führen (vgl. dazu Müller-Glöge in: ErfKomm, § 109 GewO Rn. 68 f.).
Anders ist die Lage jedoch bei einem vereinbarten Prozessarbeitsverhältnis. Die Entscheidung des BAG lässt die Tendenz erkennen, dass die Zeiten einer vereinbarten Prozessbeschäftigung zeugnisrelevant sind und damit zur Dauer (Zeitraum und Ende) des Arbeitsverhältnisses zu zählen sind. Auf die Unterscheidung zur „erzwungenen“ Prozessbeschäftigung ist bei der Zeugnisgestaltung unbedingt zu achten.
Die Entscheidung hat eine weitere Folge: In den genannten Fällen der „erzwungenen“ Prozessbeschäftigung besteht die Gefahr, dass durch die Nichtberücksichtigung der „erzwungenen“ Beschäftigungszeiten Lücken bzw. Auffälligkeiten in der Erwerbsbiographie entstehen. Zwar kann der Arbeitnehmer ein separates Zeugnis vom Arbeitgeber für diese Zeiten verlangen (vgl. LArbG Frankfurt, Urt. v. 17.11.2014 – 17 Sa 406/14 Rn. 28). Faktisch kommt der Arbeitnehmer aber auch mit dieser Lösung bei einem Neu-Arbeitgeber in Erklärungsnot. Diesem wird durch die Vorlage zweier Zeugnisse desselben Arbeitgebers der Rechtsstreit und dessen Ausgang offenbar. Hierauf wird sich die Beratungspraxis im Rahmen der Prozesstaktik einzustellen haben und dem Arbeitnehmer im Vorfeld der Stellung des Weiterbeschäftigungsantrags dieses Risiko offenlegen müssen.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Das BAG wiederholt und verfestigt seine Rechtsprechung zur Abgrenzung einer vereinbarten Weiterbeschäftigung und einer einseitig erzwungenen Weiterbeschäftigung. Bei der erzwungenen Prozessbeschäftigung wird ein faktisches Beschäftigungsverhältnis begründet, welches entfällt, sobald das die Weiterbeschäftigungspflicht aussprechende Urteil aufgehoben wird (zuvor schon: BAG, Urt. v. 08.04.2014 – 9 AZR 856/11 Rn. 28 und 39).