Nachfolgend ein Beitrag vom 13.4.2016 von Boemke, jurisPR-ArbR 15/2016 Anm. 1

Leitsatz

Ein vom Auftraggeber oder Kunden unter Berufung auf vertragliche Pflichten an den Arbeitgeber gerichtetes Verbot, einen bestimmten Arbeitnehmer einzusetzen, begründet grundsätzlich kein Unvermögen (§ 297 BGB) dieses Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu erbringen.

A. Problemstellung

Beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz eines ordnungsgemäßen Leistungsangebots nicht, kommt er in Annahmeverzug mit der Folge, dass der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch behält, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein (§ 615 Satz 1 BGB). Annahmeverzug ist jedoch gemäß § 297 BGB ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer zur Erbringung der geschuldeten Leistung außerstande ist. Die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers kann dabei aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen entfallen, insbesondere wenn eine erforderliche öffentlich-rechtliche Zulassung fehlt. Ob die behördliche Untersagung einer Beschäftigung dem Arbeitnehmer i.S.v. § 297 BGB die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich macht, hatte das BAG im vorliegenden Fall zu entscheiden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs. Der Kläger ist seit 2005 als Fluggastkontrolleur und Sicherheitsmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Er nimmt zugleich als Luftsicherheitsassistent aufgrund staatlicher Beleihung Aufgaben nach § 5 Abs. 1 bis Abs. 4 LuftSiG wahr. Aufgrund Beschuldigungen einer Kollegin des Klägers, wonach dieser im Dienst Straftaten begangen haben sollte, untersagte die Bundespolizeidirektion Berlin mit Schreiben vom 29.06.2012 der Beklagten bis auf Weiteres den Einsatz des Klägers als Luftsicherheitsassistent auf deutschen Flughäfen. Die Beklagte suspendierte den Kläger vom Dienst und zahlte nach der Gewährung von Urlaub ab August 2012 kein Gehalt. Nach Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Kläger hob die Bundespolizeidirektion Berlin den angeordneten Nichteinsatz mit sofortiger Wirkung auf. Seit dem 10.08.2013 wird der Kläger wieder an seinem alten Arbeitsplatz beschäftigt.
Für die Zeit vom 07.08.2012 bis zum 31.07.2013 verlangt er Vergütung wegen Annahmeverzugs. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Der Fünfte Senat legt dar, dass der Annahmeverzug der Beklagten nicht nach § 297 BGB ausgeschlossen gewesen ist. Der Kläger sei weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen zur Erbringung der Arbeitsleistung außerstande gewesen. Er sei einerseits tatsächlich in der Lage gewesen, die für seine Arbeitsleitung relevanten Bereiche des Flughafens zu betreten. Andererseits haben auf rechtlicher Seite im streitigen Zeitraum alle erforderlichen Erlaubnisse vorgelegen. Von der Möglichkeit des Widerrufs der Beleihung nach § 5 Abs. 5 Satz 2 LuftSiG sei kein Gebrauch gemacht worden. Das Schreiben der Bundespolizeidirektion Berlin vom 29.06.2012 habe kein Unvermögen des Klägers i.S.v. § 297 BGB begründet. Es erfülle nicht die Voraussetzungen eines behördlichen Beschäftigungsverbots. Ein solches müsse als hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer förmlich bekannt gegeben (vgl. § 41 Abs. 1 VwVfG) werden. Überdies seien die mit ihm einhergehenden Rechtsfolgen klar und deutlich zu bezeichnen, um dem Betroffenen den Rechtsweg zu eröffnen. Die Behörde hätte, statt nur auf vertraglicher Ebene der Beklagten den Einsatz des Klägers zu untersagen, gegenüber dem Arbeitnehmer selbst tätig werden müssen. Der Annahmeverzug der Beklagten sei auch nicht wegen Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung ausgeschlossen. Dazu hätte die Beklagte die vertraglichen Grundlagen, auf welche sich das „Einsatzverbot“ stützt, näher darlegen und auch zumindest versucht haben müssen, ihren Auftraggeber umzustimmen.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung hebt sich gegenüber einer Vielzahl nur auf den ersten Blick ähnlich gelagerter Fälle ab, in denen das BAG die Auswirkungen eines Beschäftigungsverbots auf den Annahmeverzug des Arbeitgebers zu beurteilen hatte (vgl. BAG, Urt. v. 06.03.1974 – 5 AZR 313/73, zu I 1 der Gründe: Wegfall der Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs; BAG, Urt. v. 18.12.1986 – 2 AZR 34/86, zu B II 2 der Gründe: Entzug der Fahrerlaubnis eines als Auslieferungsfahrer beschäftigten Arbeitnehmers; BAG, Urt. v. 15.06.2004 – 9 AZR 483/03, zu I 2 der Gründe: fehlende bergrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung; BAG, Urt. v. 10.04.2014 – 2 AZR 812/12 Rn. 27 ff.: Entzug der missio canonica einer Gemeindereferentin; BAG, Urt. v. 27.05.2015 – 5 AZR 88/14 Rn. 17: Entzug der Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen nach SÜG). Erst kürzlich hat der Senat (BAG, Urt. v. 23.09.2015 – 5 AZR 146/14) den Annahmeverzug eines Arbeitgebers verneint, der seinen Arbeitnehmer ohne die erforderliche militärische Einsatzgenehmigung nicht beschäftigen durfte.
Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass hier die behördliche Beschäftigungserlaubnis des Arbeitnehmers zu keinem Zeitpunkt entzogen wurde. Die Interaktion der entsprechenden Behörden mit dem Arbeitgeber vermag für den Arbeitnehmer kein Beschäftigungsverbot zu begründen. Hierfür hätte es eines öffentlich-rechtlichen Hoheitsakts gegenüber dem Betroffenen selbst bedurft (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 VwVfG). Es handelt sich dabei nicht um eine vernachlässigbare Formalität, sondern um ein zwingendes rechtsstaatliches Erfordernis. Dem betroffenen Arbeitnehmer muss nämlich die Möglichkeit gegeben werden, gegen die behördliche Maßnahme den Rechtsweg zu beschreiten (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Ein kleiner, aber rechtlich erheblicher Unterschied: Der Entzug einer erforderlichen Erlaubnis macht dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung rechtlich unmöglich, so dass nach § 297 BGB Annahmeverzug ausgeschlossen ist. Das Verbot an einen Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer zu beschäftigen, fällt in dessen betrieblichen Risikobereich und nicht unter § 297 BGB.
Demzufolge ist der Entscheidung des BAG zuzustimmen. Die Beklagte hätte, um Ansprüchen aus Annahmeverzug zu entgehen, ihren Arbeitnehmer weiterhin beschäftigen dürfen und müssen, solange diesem gegenüber die Beleihung nicht widerrufen wurde.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung zeigt den Konflikt, in den Arbeitgeber geraten können, wenn Beschäftigungsansprüche ihrer Arbeitnehmer mit dem öffentlichen Recht (scheinbar) kollidieren. Will der Arbeitgeber Annahmeverzugslohnansprüche in einer solchen Situation vermeiden, muss er gegen das an ihn gerichtete Beschäftigungsverbot vorgehen. Immerhin handelt eine Behörde, die einerseits eine Beschäftigung wegen fehlender Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers untersagt, aber andererseits die Beleihung des Arbeitnehmers bestehen lässt, widersprüchlich.