Nachfolgend ein Beitrag vom 6.6.2018 von Dahl, jurisPR-ArbR 23/2018 Anm. 6
Leitsatz
Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf ein ungeknicktes und ungetackertes Arbeitszeugnis.
A. Problemstellung
Das LArbG Mainz beschäftigt sich mit der Form eines Zeugnisses und dem Anspruch auf eine Schlussformel.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach „die Beklagte dem Kläger unter dem Datum 30.11.2015 ein dem bereits erteilten Zwischenzeugnis entsprechendes Endzeugnis mit einer guten Bewertung von Leistung und Verhalten (stets zur vollen Zufriedenheit/jederzeit einwandfrei) erteilt.“
Die Beklagte erteilte dem Kläger ein Zeugnis, mit welchem der Kläger nicht einverstanden war. Er erhob Klage, und das ArbG Mainz verurteilte die Beklagte erstinstanzlich zur Erstellung eines geänderten Zeugnisses. Das Zeugnis sollte als Abschluss den Satz beinhalten: „Wir danken Herrn A. für die geleisteten Dienste und wünschen ihm für seinen weiteren beruflichen und privaten Lebensweg alles Gute.“
Mit seiner Berufung begehrte der Kläger u.a. die Verpflichtung der Beklagten, ihm ein ungetackertes und ungeknicktes Zeugnis zu erstellen. Ferner habe er Anspruch auf Aufnahme eines Schlusssatzes mit dem Ausdruck des Bedauerns („Wir bedauern dies sehr“) und guten Wünschen („weiterhin viel Erfolg“). Ein sichtbar geknicktes und getackertes Zeugnis indiziere nach der Zeugnissprache, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden gewesen sei. Ein Zeugnis müsse so ausgehändigt werden, dass man es kopieren könne, ohne dass sich in der Kopie Falz- oder Klammerstellen abzeichnen. In gleicher Weise sei im Schlusssatz des Zeugnisses „weiterhin viel Erfolg“ zu wünschen, weil ein Weglassen dieses bei „guten“ Arbeitszeugnissen selbstverständlichen Wunsches zwangsläufig indiziere, dass dem Kläger bewusst kein gutes Zeugnis erteilt werden solle.
Das LArbG Mainz hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf ein ungeknicktes und ungetackertes Arbeitszeugnis. Das BAG habe bereits festgestellt (BAG, Urt. v. 21.09.1999 – 9 AZR 893/98), dass ein Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers aus § 109 GewO auch mit einem Zeugnis erfüllt, das er zweimal faltet, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen. Es grenze an Rechtsmissbrauch, über zwei Instanzen ein ungeknicktes Zeugnis einzuklagen, anstatt es sich bei der Beklagten – wie angeboten – an seinem früheren Arbeitsort (Entfernung zur Wohnung ca. 11 Kilometer) abzuholen. Auch wenn eine feste körperliche Verbindung einzelner Blätter einer Urkunde, die (nur) am Ende des Textes unterzeichnet ist, nach der sog. „Auflockerungsrechtsprechung“ nicht (mehr) erforderlich ist, wenn sich deren Einheitlichkeit aus anderen eindeutigen Merkmalen zweifelsfrei ergibt (vgl. BAG, Urt. v. 04.11.2015 – 7 AZR 933/13), stelle es kein unzulässiges Geheimzeichen dar, wenn der Arbeitgeber die Blätter des Zeugnisses mit einem Heftgerät körperlich miteinander verbindet (ugs. „tackert“). Denn es gäbe keinerlei Belege dafür, dass ein „getackertes Zeugnis“ einem unbefangenen Arbeitgeber mit Berufs- und Branchenkenntnis signalisiert, der Zeugnisaussteller sei mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden gewesen.
Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, im Schlusssatz des Zeugnisses einen Ausdruck des Bedauerns und gute Wünsche aufzunehmen. Nach der Rechtsprechung des BAG sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, im Schlusssatz des Zeugnisses persönliche Empfindungen, wie Bedauern, Dank oder gute Wünsche, zum Ausdruck zu bringen. Ist ein Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber verwendeten Schlussformel nicht einverstanden, habe er keinen Anspruch auf Ergänzung oder Umformulierung, sondern auf ein Zeugnis ohne jeden Schlusssatz (vgl. BAG, Urt. v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11; LArbG Mainz, Urt. v. 17.11.2016 – 5 Sa 264/16). Ein Anspruch folge auch nicht aus dem Prozessvergleich. Die Beklagte habe sich im Vergleich verpflichtet, dem Kläger ein Endzeugnis mit einer „guten“ Bewertung von Leistung und Verhalten zu erteilen. Aus der Vereinbarung der Notenstufe „gut“ lasse sich kein Anspruch auf eine Dankes-, Wunsch- und Bedauernsformel herleiten. Im Prozessvergleich wurde keine Vereinbarung über eine Schlussformulierung getroffen, obwohl dem Klägervertreter die höchstrichterliche Rechtsprechung bekannt war, dass Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers in einer Schlussformel nicht zum erforderlichen Inhalt eines Arbeitszeugnisses gehören. Auch wenn sich der Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten Notenstufe entspricht, bleibe es seine Sache, das Zeugnis im Einzelnen abzufassen (vgl. BAG, Beschl. v. 14.02.2017 – 9 AZB 49/16).
C. Kontext der Entscheidung
Ohrfeigen für den Kläger und seinen Rechtsanwalt; allein die Verpflichtung im gerichtlichen Vergleich, ein dem Zwischenzeugnis entsprechendes Endzeugnis mit einer guten Bewertung von Leistung und Verhalten (stets zur vollen Zufriedenheit/jederzeit einwandfrei) zu erteilen, sichert eine bestimmte Dankes- und Grußformel nicht ab. Da es keinen Anspruch auf eine Dankes- und Grußformel gibt (BAG , Urt. v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11; kritisch Düwell/Dahl, NZA 2011, 958), hätte der Kläger den Zeugnisentwurf unmittelbar zum Gegenstand des (gerichtlichen) Vergleichs im Kündigungsrechtstreit machen, d.h. schon in den Vergleichstext aufnehmen müssen (vgl. LArbG Frankfurt, Beschl. v. 17.03.2003 – 16 Ta 82/03 und zur Vollstreckbarkeit eines gerichtlichen Vergleichs BAG, Beschl. v. 09.09.2011 – 3 AZB 35/11; LArbG Köln, Beschl. v. 04.07.2013 – 4 Ta 155/13; LArbG Düsseldorf, Beschl. v. 04.03.2014 – 13 Ta 645/13). Zudem hat der Kläger den Umstand außer Acht gelassen, dass es sich beim Zeugnis um eine Holschuld (BAG, Urt. v. 08.03.1995 – 5 AZR 848/93) handelt und das Verständnis des LArbG Mainz hinsichtlich des Knicks und der Klammer überstrapaziert.
D. Auswirkungen für die Praxis
Das LArbG Mainz hat die Rechtsprechung des BAG konsequent angewandt und (nur) hinsichtlich des „Tackerns“ Neuland betreten. Den guten Argumenten des Landesarbeitsgerichts dürfte wenig entgegenzusetzen sein, so dass Arbeitgeber Zeugnisse beruhigt weiterhin falten und tackern können. Arbeitnehmer und deren Vertreter sollten darauf achten, dass sie das Zeugnis in einem Kündigungsrechtsstreit vollständig mit Schlussformel, Datum und Ausscheidegründen in den Vergleichstext aufnehmen (lassen).
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