Nachfolgend ein Beitrag vom 3.6.2016 von Spitz, jurisPR-ITR 11/2016 Anm. 5
Leitsätze
1. Die fortwährend über einen Zeitraum von 30 Arbeitstagen andauernde und während der Arbeitszeit erfolgende private Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses im Umfang von knapp 40 Stunden berechtigt den Arbeitgeber wegen der darin liegenden Verletzung der Arbeitspflicht auch dann zur außerordentlichen Kündigung, wenn dem Arbeitnehmer die Privatnutzung arbeitsvertraglich in Ausnahmefällen innerhalb der Arbeitspausen erlaubt ist.
2. Im Kündigungsschutzprozess können zu Lasten des Arbeitnehmers die vom Arbeitgeber ohne Hinzuziehung des Arbeitnehmers ausgewerteten Einträge der aufgerufenen Internetseiten in der Chronik des auf dem Dienstrechner des Arbeitnehmers installierten Internet-Browsers zum Beweis einer exzessiven Internetnutzung verwertet werden. Obwohl es sich dabei um personenbezogene Daten handelt und auch wenn eine wirksame Einwilligung in die Kontrolle dieser Daten nicht vorliegt, besteht kein Beweisverwertungsverbot, weil das Bundesdatenschutzgesetz auch ohne Einwilligung des Arbeitnehmers die Speicherung und Auswertung der Verlaufsdaten in der Chronik eines Internetbrowsers zu Zwecken der Missbrauchskontrolle erlaubt. Unabhängig davon besteht jedenfalls dann kein Beweisverwertungsverbot, wenn dem Arbeitgeber ein mit anderen Mitteln zu führender konkreter Nachweis des Umfangs des Missbrauchs des dienstlichen Internets nicht zur Verfügung steht.
3. Auch aus § 88 Abs. 3 TKG folgt in diesem Falle kein Beweisverwertungsverbot, weil das TKG nicht anwendbar ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine private Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses erlaubt.
4. Zur Abgrenzung von nachgeschobenen Kündigungsgründen zur Konkretisierung bereits mitgeteilter Kündigungsgründe bei der Betriebsratsanhörung.
A. Problemstellung
Private Internetnutzung am Arbeitsplatz ist nach wie vor ein Dauerthema in der arbeitsgerichtlichen Praxis. Neben materiell-rechtlichen Fragen stellen sich auch beweisrechtliche Probleme, die Fragen des Datenschutzes und der Grundrechte berühren. Im vorliegenden Fall wehrt sich ein Arbeitnehmer gegen die arbeitsgerichtliche Verwertung seiner privaten Browserdaten, die auf seinem Dienstrechner gefunden wurden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1998 als „Gruppenleiter Konstruktion“ beschäftigt. Als solcher leitete er eine Gruppe von drei Mitarbeitern der Beklagten und übte seine Tätigkeit in einem Einzelbüro mit Dienstrechner aus. Im Arbeitsvertrag war vorgesehen, dass die Beklagte berechtigt sei, stichprobenartig die Internetnutzung des Klägers zu kontrollieren. Aufgrund ungewöhnlich hohen Datenaufkommens im Unternehmen wurde anhand von Überprüfungen festgestellt, dass das Internet-Datenvolumen vom Rechner des Klägers einen besonders hohen Umfang aufwies. Die Beklagte fragte am 05.05.2014 den Kläger, ob er das Internet auch privat genutzt habe, was dieser bejahte. Nach Anhörung des Betriebsrates, der der Kündigung am 14.03.2014 widersprach, kündigte die Beklagte noch am selben Tag das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Der Kläger macht geltend, dass ein Verbot privater Internetnutzung im Unternehmen der Beklagten nie gelebt worden sei. Vielmehr sei diese von den Vorgesetzten geduldet und sogar befördert worden. Auch untersage der Arbeitsvertrag die private Nutzung des Internets nicht generell. Im Hinblick auf eine fehlende Einwilligung des Klägers in die Speicherung und Verwertung der Daten des Browserverlaufs bestehe überdies ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der ausgewerteten Verlaufsdaten des Browsers. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden, da eine Kündigung ausgesprochen worden sei, ohne dass ein kündigungsrelevanter Sachverhalt bekannt gewesen wäre. Demgegenüber beruft sich die Beklagte auf eine für alle Mitarbeiter abrufbar in das Intranet eingestellte IT-Nutzerrichtlinie vom 03.07.2009, welcher der Betriebsrat vorab zugestimmt habe. Hiernach sei die private Nutzung des Internets ohne Ausnahme untersagt.
Das LArbG Berlin-Brandenburg hat die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung bejaht und die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Entscheidung (ArbG Berlin, Urt. v. 21.01.2015 – 37 Ca 4257/14) abgewiesen. Das Revisionsverfahren ist derzeit beim BAG (Az.: 2 AZR 198/16) anhängig.
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung prüft das Landesarbeitsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB in zwei Schritten: Zunächst sei zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise, als wichtiger Grund geeignet sei, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu beenden. Danach bedürfe es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar sei (BAG, Urt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 517/14). Das Verhalten des Klägers rechtfertige unter Anlegung dieses Maßstabes eine außerordentliche Kündigung. Ein zur außerordentlichen Kündigung an sich berechtigender Grund komme bei privater Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets u.a. dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer dies während der Arbeitszeit tue. Bei einer privaten Internetnutzung während der Arbeitszeit verletze der Arbeitnehmer grundsätzlich seine (Hauptleistungs-)Pflicht zur Arbeit. Die Pflichtverletzung wiege dabei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässige (BAG, Urt. v. 31.05.2007 – 2 AZR 200/06 Rn. 19; BAG, Urt. v. 27.04.2006 – 2 AZR 386/05 Rn. 25; BAG, Urt. v. 07.07.2005 – 2 AZR 581/04 Rn. 27). Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger mittels seines Dienstrechners im Zeitraum vom 06.01.2014 bis 05.03.2014 während der Arbeitszeit im Umfang von mindestens 39,86 Stunden das Internet privat genutzt und dabei mehr als 16.000 Internetseiten – teilweise mit sexuellem Inhalt – aufgerufen habe.
Dies entspreche bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden etwa 5 Arbeitstagen, an denen der Kläger seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen sei.
Ein Beweisverwertungsverbot besteht nach Auffassung des Gerichts nicht. Die Zivilprozessordnung kenne für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein ausdrückliches prozessuales Verwendungs- bzw. Verwertungsverbot. Aus § 286 ZPO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG folge aber die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen. Dementsprechend bedürfe es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindern soll, einer besonderen Legitimation in Gestalt einer gesetzlichen Grundlage. Im gerichtlichen Verfahren trete der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber und sei daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. Dabei könnten sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten gehe, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt seien. Das Gericht habe deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar sei. Dieses Recht gewährleiste nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trage in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen des Einzelnen Rechnung. Es gewährleiste die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Diesem Schutz diene auch Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung im BDSG konkretisierten und aktualisierten den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und regelten, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in dieses Recht zulässig seien. Dies stelle § 1 BDSG ausdrücklich klar. Liege keine Einwilligung des Betroffenen vor, sei die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift diese erlaube. Fehle es an der danach erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder lägen deren Voraussetzungen nicht vor, sei die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser das deutsche Datenschutzrecht prägende Grundsatz sei in § 4 Abs. 1 BDSG kodifiziert (BAG, Urt. v. 20.06.2013 – 2 AZR 546/12). Bei den in der Chronik eines Internetbrowsers erfolgenden Protokollierungen handele es sich um personenbezogene Daten i.S.v. § 3 Abs. 1 BDSG, da sie ausweisen, wann vom Nutzer welche Seiten im Internet mit welchem Titel aufgerufen wurden. Vorliegend gestatte jedoch § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG der Beklagten sowohl Erhebung und Verarbeitung (Speicherung) der bei Internetnutzung entstehenden Verlaufsdaten in der Browserchronik als auch deren spätere Nutzung (Auswertung). Hiernach dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich sei. Die Beklagte erhebe und verarbeite (speichert) die bei der Internetnutzung durch Beschäftigte entstehenden Verlaufsdaten in der Chronik des Internetbrowsers zu Zwecken der Missbrauchskontrolle. Dies ergebe sich aus der IT-Nutzerrichtlinie der Beklagten vom 03.07.2009 und der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Stichprobenklausel. Die Aufzeichnung der bei der Telekommunikation entstehenden Verbindungsdaten zum Zwecke der Missbrauchskontrolle ist – so das Gericht – der Durchführung des Arbeitsverhältnisses nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zuzuordnen (Franzen in: ErfKomm, 16. Aufl. 2016, § 32 BDSG Rn. 25, 26). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Daten vorliegend gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zum Zwecke der Aufdeckung von Straftaten erhebt und verarbeitet (speichert), bestünden hingegen nicht. Dass die Beklagte die ausgewerteten Verlaufsdaten im Kündigungsschutzprozess auch als Beweismittel nutzen wollte, diente zudem der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses i.S.v. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG. Unter diese Anwendungsalternative des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG fallen die Speicherung und Verwendung von personenbezogenen Daten durch den Arbeitgeber, die er zur Erfüllung der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess benötige (Stamer/Kuhnke in: Plath, BDSG, 2013, § 32 Rn. 149). Die Auswertung sei auch erforderlich gewesen, da das konkrete Ausmaß eines Missbrauchs des dienstlichen Internetzugangs sich nur durch Auswertung der Verlaufsdaten und nicht z.B. schon durch die Auswertung der im Firewall-Server protokollierten Volumina des Internetverkehrs feststellen ließe. Dass der Kläger durch die Beklagte bei der Auswertung nicht hinzugezogen wurde, sei unerheblich, da selbst bei einer Anwesenheit des Klägers das Auswertungsergebnis dasselbe gewesen wäre. Der Kläger konnte damit rechnen, dass die Beklagte zu Beweiszwecken auch auf die auf seinem dienstlich genutzten Rechner gespeicherten Daten zurückgreifen werde.
Hiergegen hätte er vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. Ein heimlicher Eingriff, gegen den er sich faktisch vorbeugend nicht wehren konnte, liege in der ohne seine Anwesenheit vorgenommenen Auswertung nicht. Ein überschießender Eingriff in Persönlichkeitsrechte des Klägers läge nicht vor, da die Auswertung der Browserchronik das einzig geeignete Mittel zur Sachverhaltsermittlung gewesen sei.
Auch § 88 Abs. 3 TKG sei nicht einschlägig, da ein Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmern auch die private Nutzung dienstlicher Telekommunikationseinrichtungen gestatte, kein Diensteanbieter i.S.d. TKG sei (LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.02.2011 – 4 Sa 2132/10). Denn es liege hierbei kein geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdienstleistungen i.S.d. § 3 Nr. 6 und 10 TKG vor.
Doch selbst wenn vorliegend eine rechtswidrige Speicherung und Nutzung der in der Browserchronik des Rechners des Klägers gespeicherten Daten anzunehmen wäre, dürften die Ergebnisse der durchgeführten Beweisaufnahme verwertet werden. Ein prozessuales Verwertungsverbot komme auch bei rechtswidriger Beschaffung von Beweismitteln nur in Betracht, wenn in verfassungsrechtlich geschützte Grundpositionen des Beweisgegners eingegriffen werde, seine Einwilligung nicht vorliege und durch die Verwertung von rechtswidrig erlangten Informationen oder Beweismitteln ein erneuter bzw. perpetuierender Eingriff in seine rechtlich geschützten, hochrangigen Positionen erfolge und dies auch nicht durch schutzwürdige Interessen der Beklagten gerechtfertigt werden könne (LArbG Hamm, Urt. v. 10.07.2012 – 14 Sa 1711/10). Das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reichen dabei für sich betrachtet nicht aus, dem Verwertungsinteresse den Vorzug zu geben. Dafür bedürfe es zusätzlicher Umstände. Sie können darin liegen, dass sich der Beweisführer mangels anderer Erkenntnisquellen in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet. Die besonderen Umstände müssen gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt ausweisen (BAG, Urt. v. 20.06.2013 – 2 AZR 546/12). Gestatte der Arbeitgeber zwar die private Nutzung seiner elektronischen Ressourcen, weise aber zugleich – wie vorliegend im Arbeitsvertrag – darauf hin, dass eine Überprüfung der entstehenden technischen Daten im Rahmen einer stichprobenartigen Kontrolle stattfinde, könne der Arbeitnehmer auch hinsichtlich der bei – ggf. zulässiger – Privatnutzung entstandenen Daten keine Vertraulichkeit erwarten. Selbst wenn mangels Einwilligung oder datenschutzrechtlich einschlägiger Rechtsgrundlage von einer rechtswidrigen Datenerhebung auszugehen sei, überwiege im Prozess das Interesse an der Verwertung der rechtswidrig erlangten Daten (LArbG Hamm, Urt. v. 10.07.2012 – 14 Sa 1711/10). Hinzu komme, dass ein Missbrauch des dienstlichen Internetanschlusses jedenfalls im vorliegenden Falle nicht anders als durch die Verbindungsdaten nachgewiesen werden könne, da der Kläger das Internet in einem Einzelzimmer nutzte und Zeugen der Nutzung der Beklagten nicht zur Verfügung stünden. Gewähre der Arbeitgeber auf diese Weise einen Vertrauensvorschuss zur selbstständigen und ordnungsgemäßen Erledigung der Arbeiten ohne soziale Kontrolle durch andere Arbeitnehmer, müsse der Beschäftigte eine in der Auswertung personenbezogener Daten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung mit Rücksicht auf berechtigte Belange des Arbeitgebers hinnehmen (LArbG Hannover, Urt. v. 31.05.2010 – 12 Sa 875/09).
Die Betriebsratsanhörung war nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts rechtmäßig. Der Betriebsrat sei vor Kündigungsausspruch über die der Kündigung zugrunde liegenden Gründe – nämlich private Internetnutzung in erheblichem Umfang – hinreichend informiert worden. Neue Kündigungsgründe, die eine erneute Betriebsratsanhörung erfordert hätten, lägen nicht vor. Der sich im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens im Wege der Beweisaufnahme durch die Browserauswertung gezeigte tatsächliche Umfang der erfolgten Privatnutzung stelle der Sache nach (lediglich) eine Konkretisierung der bereits vor Kündigungsausspruch mitgeteilten Kündigungsgründe dar. Einer weiteren Anhörung bedürfe es nicht, wenn – wie hier – die neuen Tatsachen dem mitgeteilten Kündigungssachverhalt erstmals das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere, selbstständig zu würdigende Kündigungssachverhalte betreffen (BAG, Urt. v. 10.04.2014 – 2 AZR 684/13). Ausschlaggebend sei, dass sich der Betriebsrat aufgrund des mitgeteilten Sachverhalts ein Bild von den der Kündigung zugrunde liegenden Gründen machen konnte. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Eine umfassende, der Kündigung vorausgehende Sachverhaltsaufklärung möge im eigenen Interesse des Arbeitgebers liegen. Unterlasse er sie, gehe er aber „nur“ das Risiko ein, die behauptete Pflichtverletzung im Prozess nicht beweisen zu können.
C. Kontext der Entscheidung
Die unerlaubte Privatnutzung des Internets am Arbeitsplatz stellt eine Arbeitspflichtverletzung dar, die eine Kündigung nach sich ziehen kann (BAG, Urt. v. 31.05.2007 – 2 AZR 200/06; LArbG Mainz, Urt. v. 12.11.2015 – 5 Sa 10/15; Spitz, jurisPR-ITR 3/2016 Anm. 3). Während materiell-rechtlich diesbezüglich zwischenzeitlich eine weitgehende Klärung durch die Arbeitsgerichtsbarkeit herbeigeführt worden ist, sind beweisrechtliche Fragen aus Gründen des Verfassungs- und Datenschutzrechts nach wie vor klärungsbedürftig. Aus diesem Grund hatte das LArbG Berlin-Brandenburg im vorliegenden Fall die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen („Die entscheidungserhebliche Frage der prozessualen Verwertbarkeit von in einem vom Arbeitnehmer genutzten Dienstrechner gespeicherten Daten über die Internetnutzung hat grundsätzliche und fallübergreifende Bedeutung.“).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Revisionsentscheidung des BAG bleibt abzuwarten. Es spricht angesichts der ausführlichen und ausgewogenen Urteilsgründe einiges dafür, dass es im Ergebnis bei der Entscheidung des LArbG Berlin-Brandenburg bleiben wird.