Nachfolgend ein Beitrag vom 21.11.2018 von Pohl, jurisPR-ArbR 47/2018 Anm. 2

Leitsätze

1. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, dem Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr ohne Antrag Urlaub zu gewähren.
2. Während der Freistellungsphase einer Altersteilzeit im Blockmodell entstehen keine Urlaubsansprüche.

A. Problemstellung

Fragen der Urlaubsgewährung und Urlaubsabgeltung im Rahmen der Altersteilzeit beschäftigen die Arbeitsgerichte immer wieder. Das LArbG Düsseldorf hatte sich jüngst erneut damit zu befassen, ob in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell Urlaubsansprüche entstehen, die mangels Erfüllbarkeit am Ende des Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisses abzugelten sind. Daneben hat es Stellung bezogen zu der Frage, ob ein Arbeitgeber verpflichtet ist, von sich aus Urlaub zu gewähren, ohne dass es eines entsprechenden Antrags des Arbeitnehmers bedarf.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Hintergrund der Auseinandersetzung ist der zwischen den Parteien abgeschlossene Altersteilzeitvertrag im Blockmodell, der eine Freistellungsphase des Klägers ab dem 01.04.2016 und sodann eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2017 vorsah. Laut einer Regelung im Altersteilzeitvertrag haben dem Kläger grundsätzlich 30 Urlaubstage im Jahr zugestanden, die allerdings im Jahr des Übergangs von der aktiven in die passive Phase der Altersteilzeit anteilig gekürzt werden sollten. Während der Freistellungsphase sollte der Jahresurlaub zudem als erfüllt gelten. Im ersten Quartal des Jahres 2016 sind dem Kläger insgesamt acht Urlaubstage gewährt worden. Die restlichen 22 Urlaubstage des Jahres 2016 sowie den Jahresurlaub für 2017 hat der Kläger sodann klageweise geltend gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, die beklagte Arbeitgeberin sei von sich aus, also ohne weiteren Urlaubsantrag, verpflichtet gewesen, ihm den gesamten Urlaub des Jahres 2016 während der Aktivphase der Altersteilzeit zu gewähren. Da dies nicht geschehen sei, bestehe ein entsprechender Schadensersatzanspruch. Der Urlaub des Jahres 2017 sei zudem abzugelten. Alleine der Bestand des Arbeitsverhältnisses reiche aus, um einen Urlaubsanspruch zu begründen. Auf die Erbringung der Arbeitsleistung komme es nicht an. Eine Kürzung des Urlaubsanspruchs führe wegen der Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs zu einem Verstoß gegen § 13 BUrlG.
Das ArbG Essen hat die Klage erstinstanzlich abgewiesen (ArbG Essen, Urt. v. 08.03.2018 – 1 Ca 2868/17 m. Anm. Hamann, jurisPR-ArbR 37/2018 Anm. 1). Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dem Kläger habe für 2016 nur der gekürzte Anspruch auf acht Urlaubstage zugestanden, der ihm gewährt worden sei. Darüber hinaus entstehe im Falle der Altersteilzeit im Blockmodell der gesamte Urlaubsanspruch alleine in der Arbeitsphase. Aufgrund der Reduzierung der Arbeitszeit in der Freistellungsphase des Klägers sei eine Umrechnung des Urlaubsanspruchs vorzunehmen, die dazu führe, dass ab 01.04.2016 keine Urlaubsansprüche mehr entstehen konnten, welche mangels Erfüllbarkeit abzugelten wären. Die entsprechende „Kürzungsregelung“ des Altersteilzeitvertrags verstoße daher nicht gegen § 13 BUrlG. Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt und zweitinstanzlich ergänzend vorgetragen, eine ausdrückliche Beantragung des restlichen Urlaubs für das Jahr 2016 sei nicht notwendig gewesen und daher bloße „Förmelei“, weil die Arbeitgeberin bereits durch die Kürzungsregelung des Altersteilzeitvertrags zu verstehen gegeben habe, sie werde den über acht Tage hinausgehenden Urlaub nicht gewähren. Eine Kürzung des Urlaubs für das Jahr 2017 auf „Null“ aufgrund der Freistellungsphase benachteilige den Kläger zudem gegenüber einem Arbeitnehmer in verstetigter Altersteilzeit, bei der die Arbeitszeit über den gesamten Zeitraum der Altersteilzeit gleichmäßig verteilt ist.
Das LArbG Düsseldorf hat die Berufung des Klägers als unbegründet angesehen und damit die erstinstanzliche Entscheidung des ArbG Essen bestätigt.
Anders als die Vorinstanz hat das Landesarbeitsgericht allerdings den Anspruch auf die 22 Tage Resturlaub aus dem Jahr 2016 nicht aufgrund der Freistellungsphase ab dem 01.04.2016 im Übergangsjahr der Altersteilzeit, sondern wegen mangelnder Geltendmachung durch den Kläger abgelehnt. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, ein Anspruch auf Ersatzurlaub im Wege des Schadensersatzes könne nur verlangt werden, wenn die Arbeitgeberin sich diesbezüglich eine Pflichtverletzung vorwerfen lassen müsse. Das Landesarbeitsgericht folgt damit der gefestigten Auffassung des BAG, welches den Grundsatz aufgestellt hat, es bedürfe zur Urlaubsgewährung grundsätzlich der Anmeldung eines Urlaubswunsches durch den Arbeitnehmer (BAG, Urt. v. 15.09.2011 – 8 AZR 846/09), und erteilt der Gegenmeinung, die Gewährung von Urlaub diene dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten und sei deswegen vom Arbeitgeber unaufgefordert zu erfüllen, eine Absage. Die gegenteilige Auffassung – so das Landesarbeitsgericht weiter – führe u.a. zu einer Anhäufung von Urlaubsansprüchen, was dem Urlaubszweck, nämlich einer regelmäßigen Erholungsphase, zuwiderliefe. Das Antragserfordernis verstoße auch nicht gegen Unionsrecht. Aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88 könne nur abgeleitet werden, dass ein Urlaubsantrag dann nicht zur Voraussetzung für die Urlaubsabgeltung gemacht werden könne, wenn der Arbeitnehmer wegen Arbeitsunfähigkeit oder seines Todes keinen Urlaub mehr nehmen konnte (EuGH, Urt. v. 12.06.2014 – C-118/13 „Bollacke“). Trotz der aktuell noch nicht entschiedenen Vorlage des BAG an den EuGH zu der Frage, ob an der Rechtsprechung zum Antragserfordernis ggf. nicht mehr festgehalten werden könne (EuGH-Vorlage v. 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A)), durfte die Arbeitgeberin auf die jahrzehntelange ständige höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu vertrauen, so dass sie, selbst wenn man eine Pflichtverletzung mangels Urlaubsgewährung im Jahr 2016 annähme, jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt hätte und daher nicht schadensersatzpflichtig sein könne. Aus der Kürzungsregelung des Altersteilzeitvertrags könne zudem nicht gefolgert werden, dass die Arbeitgeberin den Urlaub, wäre ein solcher beantragt worden, nicht zur Vermeidung von etwaigen Schadensersatzansprüchen gewährt hätte.
Im Hinblick auf den Urlaub des Jahres 2017 hat das Landesarbeitsgericht sodann auf die Besonderheiten des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses abgestellt. Die Freistellungsphase des Blockmodells entspreche faktisch einer „Teilzeit Null“, also einer Arbeitsverpflichtung von „null“ Wochentagen. Aus dem für Teilzeitverhältnisse bestehenden Umrechnungsgrundsatz ergebe sich so ein Urlaubsanspruch von „null“ Tagen. Dieser Umrechnungsgrundsatz berücksichtige den vollen Urlaubsanspruch bei einer Fünf-Tage-Woche, teile diesen durch fünf und multipliziere ihn mit der tatsächlichen Anzahl an (Wochen-)Arbeitstagen. Im Rahmen des Wechsels von Vollzeitbeschäftigung in die Freistellungsphase ergebe dies folgende Berechnung: 30 (Urlaubstage) / 5 (Tage/Woche) x 0 (Tage/Woche) = 0. Anders als bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis, bei dem die Arbeitspflicht nur vorübergehend suspendiert sei und eine solche Umrechnung nicht erfolge, bestehe im Rahmen der Freistellungsphase der Altersteilzeit grundsätzlich keine Pflicht (mehr), Arbeitsleistung zu erbringen.
Daneben wäre ein etwaiger Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2017 jedenfalls durch Erfüllung erloschen. Angenommen, Urlaubsansprüche könnten während der Freistellungsphase entstehen, weil „an sich“ eine Arbeitsverpflichtung bestünde, muss nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch „an sich“ eine Erfüllung dieses Anspruchs möglich sein. Die Regelung des Altersteilzeitvertrags sei in diesem Falle so zu verstehen, dass dem Kläger Urlaub in dem ihm zustehenden Umfang gewährt und er im Übrigen freigestellt werde, wobei es die Arbeitgeberin dem Kläger selber überlasse, die zeitliche Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen. Dies stelle im Ergebnis auch keine Benachteiligung des Klägers gegenüber einem Arbeitnehmer mit verstetigter Altersteilzeit dar, denn der Arbeitnehmer im Blockmodell habe insgesamt deutlich mehr freie Tage zur Erholung zur Verfügung. Ein zusätzlicher Urlaubsanspruch, der stets abgegolten werden müsste, führe sogar vielmehr zu einer Besserstellung des Altersteilzeitlers im Blockmodell.

C. Kontext der Entscheidung

Das LArbG Düsseldorf hat sich nun zum zweiten Mal zum Entstehen des Urlaubsanspruchs in der Passivphase der Altersteilzeit im Blockmodell geäußert und ist dabei seiner Ansicht, in der Freistellungsphase entstünden keine Urlaubsansprüche mehr, treu geblieben (vorher LArbG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2016 – 14 Sa 541/16). Die Frage ist jedoch höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt und bleibt daher weiterhin, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsansicht des BAG, bei Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit bestehe das Arbeitsverhältnis rechtlich fort (BAG, Urt. v. 16.10.2012 – 9 AZR 234/11) und für das Entstehen des Urlaubsanspruchs sei nach dem Bundesurlaubsgesetz alleine das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung (BAG, Urt. v. 06.05.2014 – 9 AZR 678/12), unter den Instanzgerichten heftig umstritten (Überblick bei Hamann, jurisPR-ArbR 37/2018 Anm. 1).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die vorliegende Entscheidung festigt zwar die Rechtsansicht des LArbG Düsseldorf in Bezug auf die Entstehung des Urlaubsanspruchs in der „reinen“ Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell. Wirkliche Rechtssicherheit bietet dies allerdings für Arbeitnehmer, deren passive Phase der Altersteilzeit bevorsteht, nicht. Wie schon im Rahmen des Urteils des LArbG Düsseldorf vom 15.11.2016 (14 Sa 541/16), verpasst das LArbG Düsseldorf seine Gelegenheit, zum Schicksal des Urlaubsanspruchs im Jahr des Übergangs von der aktiven in die passive Phase der Altersteilzeit Stellung zu nehmen. Da es im vorliegenden Fall an einem entsprechenden Urlaubsantrag des Klägers im (Übergangs-)Jahr 2016 gefehlt hat, musste sich das LArbG Düsseldorf nicht weiter mit der Pflicht der Arbeitgeberin zur Gewährung des vollen Urlaubsanspruchs im Übergangsjahr befassen.
Zu der Problematik, ob die anteilige Kürzung des aufgrund der Vollzeitbeschäftigung im Übergangsjahr zunächst voll entstandenen Jahresurlaubs beim Eintritt in die Freistellungsphase zulässig ist, werden derzeit verschiedene Auffassungen vertreten. Während bspw. die 8. Kammer des LArbG Frankfurt annimmt, der Umrechnungsgrundsatz sei auch im Übergangsjahr anzuwenden und der Urlaubsanspruch anhand der wöchentlichen Arbeitstage entsprechend zu reduzieren (LArbG Frankfurt, Urt. v. 12.07.2016 – 8 Sa 463/16; LArbG Frankfurt, Urt. v. 11.06.2013 – 8 SaGa 224/13), kommen die 12. Kammer des LArbG Frankfurt und das LArbG Hannover zu dem Ergebnis, eine spätere Umrechnung des bereits während der Vollzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubsanspruchs sei wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG nach § 134 BGB unwirksam (LArbG Frankfurt, Urt. v. 30.09.2015 – 12 Sa 1327/13; LArbG Hannover, Urt. v. 18.01.2017 – 13 Sa 126/16). Da der volle Urlaubsanspruch im Übergangsjahr während der Vollzeitbeschäftigung entstanden sei, dürfe er angesichts der Entscheidungen des EuGH vom 13.06.2013 (C-415/12 „Brandes“) und des BAG vom 10.02.2015 (9 AZR 53/14 (F)) durch den Wechsel auf Teilzeit „Null“ in der Freistellungsphase nicht mehr gekürzt werden. Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung werden daher weiterhin Unsicherheiten bestehen, ob entsprechende (Kürzungs-)Regelungen in Altersteilzeitverträgen zulässig sind.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Das LArbG Düsseldorf spricht in seiner Entscheidung weiterhin die erwartete Positionierung des EuGH zu der Frage an, ob der Arbeitgeber verpflichtet sein kann, den (gesetzlichen Mindest-)Urlaub einseitig anzuordnen, um eine Übertragung auf das Folgejahr und etwaige Abgeltungsansprüche von Arbeitnehmern zu verhindern. Das LArbG Düsseldorf hat richtigerweise festgestellt, dass die ständige Rechtsprechung des BAG diese Frage verneint, der Arbeitgeber also nicht verpflichtet sei, den Urlaub von sich aus – ohne entsprechenden Antrag des Arbeitnehmers – festzulegen. Der EuGH hat inzwischen zu dieser Angelegenheit entschieden (EuGH, Urt. v. 06.11.2018 – C-684/16). Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Arbeitgeber zwar nicht zur einseitigen Festlegung oder zur Ausübung eines „Urlaubszwangs“ verpflichtet sei, jedenfalls aber nachweisbar – im Zweifel durch förmliche Aufforderung und unter Mitteilung des möglichen Verfalls – geeignete Maßnahmen zu ergreifen hat, um den Arbeitnehmern die Ausübung ihres Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu ermöglichen (EuGH, Urt. v. 06.11.2018 – C-684/16). Zur Umsetzung in die Praxis dürfte Arbeitgebern daher zukünftig ein regelmäßiger, dokumentierter Hinweis an ihre Arbeitnehmer auf noch bestehende Urlaubstage und die Möglichkeit von deren Verfall sowie die Aufforderung, Urlaub in Anspruch zu nehmen, zu empfehlen sein.

Kein Urlaubsanspruch während Freistellungsphase in der Altersteilzeit und zur Urlaubsgewährung ohne Antrag
Danuta EisenhardtRechtsanwältin
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