Nachfolgend ein Beitrag vom 21.6.2017 von Beckmann, jurisPR-ArbR 25/2017 Anm. 4

Leitsatz

Behält sich der Arbeitgeber vor, die Höhe einer Sonderzahlung jährlich neu festzulegen, und erfolgt die Auszahlung üblicherweise in zwei gleichen Raten, kann bereits die kommentarlose Auszahlung der ersten Rate die für dieses Jahr verbindliche Festlegung der Höhe der Sonderzahlung beinhalten.

A. Problemstellung

Die Entscheidung befasst sich mit der Reichweite eines Freiwilligkeitsvorbehaltes sowie den von § 315 BGB gesetzten Grenzen eines Leistungsbestimmungsrechts bei Sonderzahlungen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2014. In dem zwischen ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag ist unter der Überschrift „Entgelt“ geregelt, dass der Klägerin eine freiwillige Leistung als Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben werde. Die vertraglichen Vereinbarungen enthalten darüber hinaus auch eine Regelung dahingehend, dass im Juni ein Vorschuss von bis zu einem halben Monatsgehalt auf die Gratifikation gezahlt werde.
Während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses seit 1999 bis zum Jahre 2013 erhielt die Klägerin jeweils ein volles Bruttomonatsgehalt, hälftig mit der Abrechnung im Mai und hälftig mit der Abrechnung im November eines jeden Jahres, ausgezahlt. Im Mai 2014 erhielt sie eine Zahlung in Höhe der Hälfte eines Bruttomonatsgehalts, versehen mit dem Hinweis in der Gehaltsabrechnung, dass es sich um einen Abschlag auf die Gratifikation handele.
Nach klageabweisendem Urteil in erster Instanz hat das LArbG Hamburg der Klage stattgegeben und hierzu ausgeführt, die Beklagte habe durch die Zahlung eines Abschlages im Mai 2014 – wie in den Vorjahren – zum Ausdruck gebracht, dass die Höhe der Weihnachtsgratifikation auch im Jahre 2014 ein Gehalt betragen werde. Sie habe bereits damit ihr Recht zur Leistungsbestimmung i.S.v. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt. Ein im Arbeitsvertrag geregelter Freiwilligkeitsvorbehalt könne einerseits bedeuten, dass das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindert werden solle, so dass ein Rechtsanspruch grundsätzlich ausgeschlossen werde und sich der Arbeitgeber die Entscheidung vorbehalte, ob und in welcher Höhe er künftig Sonderzahlungen gewähre. Der Begriff „freiwillig“ könne im Zusammenhang mit einer Sonderzahlung andererseits bedeuten, dass der Arbeitgeber lediglich zum Ausdruck bringe, nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet zu sein. Er genüge insofern für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen. Vorliegend sei zum einen zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf die Sonderzahlung unter der Überschrift „Entgelt“ geregelt und zum anderen, dass die Option einer zeitanteiligen Kürzung vorbehalten geblieben sei. Daraus ergäbe sich, dass die Gratifikation auch Entgelt für geleistete Arbeit im Bezugszeitraum sein sollte. Die Weihnachtsgratifikation habe demzufolge Mischcharakter zwischen Arbeitsentgelt und Treueprämie. Soweit die in Rede stehende Klausel eine Leistungsbestimmung enthalte, sei zu berücksichtigen, dass die Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 2 BGB durch empfangsbedürftige Willenserklärung erfolge. Als Willenserklärung sei sie so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus verstehen musste. Dies gelte nicht nur hinsichtlich des Inhalts der Erklärung, sondern auch hinsichtlich der Frage, ob eine Erklärung überhaupt als Willenserklärung und somit als Leistungsbestimmung zu werten sei. Aus dem Verhalten der Beklagten, nämlich Erteilung der Gehaltsabrechnung unter Ausweisung der Sonderzahlung und entsprechender Zahlung, habe die Klägerin schließen können, dass sich die Beklagte wie in den vergangenen Jahren verhalte und am Jahresende die zweite Hälfte der Gratifikation zahlen werde. Zwar müsse die Beklagte die Leistungsbestimmung nicht bereits vor der Zahlung der ersten Hälfte der Gratifikation vornehmen und könne sich dies bis zur Zahlung im November vorbehalten. Allerdings sei dies dann entsprechend gegenüber den Mitarbeitern zu kommunizieren und zu verdeutlichen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass in der Gehaltsabrechnung die Zahlung nicht als Vorschuss betitelt worden sei, sondern als Abschlag, der einem Vorschuss nicht gleichzusetzen sei, sondern in der Regel eine Zahlung auf bereits verdienten, aber noch nicht abgerechneten Arbeitslohn bedeute.

C. Kontext der Entscheidung

Hinsichtlich der Ausführungen zum Freiwilligkeitsvorbehalt und der Deutungsmöglichkeiten bewegt sich die Entscheidung auf der Linie der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 08.12.2010 – 10 AZR 671/09, sowie Urt. v. 13.05.2015 – 10 AZR 266/14). Gleiches gilt hinsichtlich der Ausführungen zur Frage des Mischcharakters einer Weihnachtsgratifikation zwischen Arbeitsentgelt und Treueprämie (BAG, Urt. v. 18.01.2012 – 10 AZR 667/10). Im Hinblick darauf, dass nach allgemeinem Verständnis der Gehaltsvorschuss als Vorauszahlung des Arbeitgebers auf den noch nicht verdienten Lohn des Arbeitnehmers verstanden wird und die Abschlagszahlung auf eine bereits fällige und verdiente, aber noch nicht abgerechnete Leistung verstanden wird, ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts konsequent, wenn es aus der „Abschlagszahlung“ schließt, dass die Gesamtgratifikation bereits verdient ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Auslegung des Gerichts, dass nicht nur mit einer (vollständigen) Zahlung eine Leistungsbestimmung ausgeübt ist, sondern bereits mit einer hälftigen „Abschlags“-Zahlung, belegt, dass weiterhin Bewegung in der Thematik der „freiwilligen“ Sonderzahlungen ist. Die Entscheidung des BAG über die Revision (Az.: 10 AZR 97/17) ist mit Spannung zu erwarten.
Bis dahin kann Arbeitgebern nur angeraten werden, etwaige Teilzahlungen mit Vorbehalten zu versehen, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, dass allein in der Teilzahlung bereits eine endgültige Leistungsbestimmung für den Gesamtanspruch zu sehen ist.