Nachfolgend ein Beitrag vom 8.3.2017 von Zimmermann/Kallhoff, jurisPR-ArbR 10/2017 Anm. 3

Leitsatz

Die Selbstbeschreibung eines Unternehmens als „junges dynamisches Unternehmen“ lässt eine Diskriminierung älterer Arbeitnehmer nicht vermuten.

A. Problemstellung

In der Praxis ergeben sich bei Stellenanzeigen ständig neue Fragen mit Blick auf diskriminierungsfreie Formulierungen. Vor kurzem hatte sich das LArbG Kiel mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Beschreibung als „junges und dynamisches Unternehmen“ in einer Stellenanzeige eine Diskriminierung älterer Bewerber vermuten lässt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch aufgrund einer Mehrfachdiskriminierung wegen Alters, Herkunft und Geschlechts.
Die Beklagte, ein seit 2004 bestehendes Handelsunternehmen, das überwiegend im internationalen elektronischen Wertpapierhandel tätig ist, veröffentlichte Ende April 2014 eine Stellenanzeige, mit der sie „mehrere erfahrene Software Entwickler (Java) (m/w)“ suchte. Zu Beginn der Anzeige beschreibt sich die Beklagte selbst als „ein junges und dynamisches Unternehmen mit 65 Mitarbeitern am Stadtrand von H.“.
Die Klägerin, 1961 in Russland geboren, bewarb sich am 05.05.2014 auf diese Stellenausschreibung und erhielt mit E-Mail vom 26.06.2014 eine Absage der Beklagten, ohne dass es zu einem Vorstellungsgespräch kam. Daraufhin machte die Klägerin mit E-Mail vom 25.08.2014 Entschädigungsansprüche nach dem AGG geltend und verlangte von der Beklagten Zahlung von 10.000 Euro.
Darin, dass sich die Beklagte als ein „junges und dynamisches Unternehmen“ bezeichne, liege ein Indiz für eine Altersdiskriminierung. Durch die Ausschreibung der Stelle als Vollzeitstelle werde sie überdies als Frau diskriminiert, da Teilzeitbeschäftigung überwiegend von Frauen ausgeübt werde. Die Beklagte war hingegen der Ansicht, es fehle bereits ein Indiz für eine Benachteiligung. Bei der streitgegenständlichen Formulierung handele es sich um eine bloße Selbstbeschreibung, die nicht Teil des Anforderungsprofils sei. Die Klägerin habe in rechtsmissbräuchlicher Weise mit ihrer Bewerbung versucht, einen Anlass für eine Entschädigungsklage zu schaffen.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe kein Indiz für eine Diskriminierung dargelegt. Die Bezeichnung in der Stellenausschreibung als „junges und dynamisches Unternehmen“ stelle kein Indiz für eine Diskriminierung aufgrund des Alters dar. Ein erst seit zehn Jahren am Markt tätiges Unternehmen sei zunächst als ein junges Unternehmen anzusehen. Zudem sei diese Selbstbeschreibung lediglich unternehmens- und nicht personenbezogen.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens meint die Klägerin, eine Benachteiligung sei jedenfalls aufgrund ihres Alters und Geschlechts zu vermuten. Dass die Beklagte ihr Unternehmen in der Stellenanzeige unter Verwendung des generischen Maskulinums vorstelle („Unternehmen mit 65 Mitarbeitern“) und die Stelle als Vollzeitstelle ausschreibe, seien hierfür Indizien. Die Verwendung männlicher Begriffe in Stellenanzeigen lasse vermuten, dass lediglich männliche Bewerber zu Bewerbungen aufgefordert werden sollen.
Die Beklagte habe das Adjektiv „jung“ nicht bezogen auf das Alter des Unternehmens verwendet, sondern als positiv empfundene Eigenschaft. Auch die Verwendung weiterer Begriffe wie „agil mit modernen Werkzeugen und Methoden“ oder „in dynamischen Teams“ zeige die Ausrichtung auf einen jungen Adressatenkreis.
Die Beklagte ist hingegen der Ansicht, das Bewerbungsverfahren der Klägerin sei diskriminierungsfrei nach ihrem mehrstufigen Auswahlverfahren abgelaufen. Die Klägerin sei allein wegen ihrer fehlenden fachlichen Eignung nicht berücksichtigt worden. In die engere Auswahl seien Bewerber mit deutlich besseren Fähigkeiten gekommen. Weiter verweist die Beklagte darauf, dass sie Arbeitnehmerinnen nichtdeutscher Herkunft beschäftige, ebenso Mitarbeiter, die 50 Jahre alt oder älter sind.
Das LArbG Kiel hat die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin habe keine Indizien vorgetragen, welche eine ungünstigere Behandlung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe i.S.v. § 22 AGG vermuten lassen. Ein Anknüpfungspunkt für die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts sei in dem Text der Stellenanzeige vom 30.04.2014 nicht gegeben. Die Stellenausschreibung sei durch den Zusatz „(m/w)“ nach der Berufsbezeichnung hinreichend deutlich an beide Geschlechter gerichtet.
Auch die Verwendung der maskulinen Form „Unternehmen mit 65 Mitarbeitern“ lasse nicht auf eine Diskriminierung von Frauen schließen, da die Stellen an sich geschlechtsneutral ausgeschrieben seien. Bei diesem Teil der Anzeige werde das Unternehmen und der Geschäftszweck definiert, hingegen keine Erwartungen oder Anforderungen an Bewerber. Auch der Gesetzgeber formuliere unter Verwendung des generischen Maskulinums. Hintergrund der Entscheidung für die männliche oder die weibliche Form sei regelmäßig die bessere Lesbarkeit; dabei könne indes nicht ohne weiteres diskriminierende Absicht unterstellt werden.
Ferner stelle der unterbliebene Hinweis einer Eignung des Arbeitsplatzes als Teilzeitarbeitsplatz nach § 7 Abs. 1 TzBfG kein Indiz für eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung dar. Es gebe keinen Erfahrungssatz, wonach ein Arbeitgeber, der Arbeitsplätze nicht ausdrücklich als Teilzeitarbeitsplätze ausschreibt, grundsätzlich keine Frauen einstellen würde. Insoweit sei es unerheblich, dass mehr Frauen als Männer in Teilzeit arbeiten.
Anhaltspunkte für die Vermutung einer Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft habe die Klägerin weder vorgetragen noch seien sie ersichtlich. Als Anknüpfungspunkte für die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters komme der Text der Stellenausschreibung, wonach sich die Beklagte als ein „junges und dynamisches Unternehmen“ bezeichnet, grundsätzlich in Frage. Indes werden hiermit nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine Besetzungskriterien oder Wünsche an das Alter der Bewerber formuliert. Nach Aufbau und Wortlaut der Stellenanzeige handele es sich bei dem betreffenden Absatz der Anzeige formell um eine Darstellung des Unternehmens. Der Leser der Anzeige erfahre über die Formulierung „junges dynamisches Unternehmen“ vielmehr, dass die Beklagte noch nicht lange auf dem Markt tätig ist.
Das Landesarbeitsgericht sieht in der Selbstbeschreibung als „junges, dynamisches Unternehmen“ kein Indiz für eine Diskriminierung älterer Bewerber. Ein junges Unternehmen beschäftige oder suche nicht zwangsläufig überwiegend junge Arbeitnehmer. Es könne nicht unterstellt werden, jüngere Bewerber würden sich eher zu neu gegründeten Unternehmen hingezogen fühlen, während ältere Bewerber eingeführte Unternehmen bevorzugten. Ein Unternehmen dürfte sich im Übrigen in einer Stellenanzeige umfassend vorstellen, um das Interesse potentieller Bewerber zu wecken. In diesem Rahmen sei neben dem Geschäftsfeld, der Unternehmensgröße und dem Arbeitsort auch der Umstand relevant, wie lange das Unternehmen bereits am Markt tätig ist.
Auch die weiteren in der Stellenanzeige der Beklagten verwendeten Formulierungen wie „Wir entwickeln agil mit modernen Werkzeugen und Methoden“ und „In dynamischen Teams können …“ lassen nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine Diskriminierungsabsicht erkennen, sondern beziehen sich vielmehr auf die Aktivität und Betriebsmittel des Unternehmens. Auch für ältere Bewerber sei es attraktiv, in einem dynamischen Team mit zeitgemäßen Betriebsmitteln zu arbeiten. Mit dem Wort „agil“ werde die Beweglichkeit der Entwicklungstätigkeit betont.

C. Kontext der Entscheidung

Das LArbG Kiel nimmt an, dass die Formulierung „junges dynamisches Unternehmen“ lediglich darauf hindeuten soll, dass die Beklagte noch nicht lange auf dem Markt tätig ist. Damit unterscheidet sich diese Formulierung nach Auffassung des LArbG Kiel deutlich von den möglicherweise problematischen Beschreibungen „Wir sind ein junges, dynamisches Team“, „Es erwartet Sie ein junges, dynamisches Team“ oder „Wir bieten Ihnen ein junges, dynamisches Team“ (vgl. dazu LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 08.08.2013 – 26 Sa 1083/13; LArbG Mainz, Urt. v. 10.02.2014 – 3 Sa 27/13; LArbG Hamburg, Urt. v. 23.06.2010 – 5 Sa 14/10).
Entgegen der Auffassung des LArbG Hamburg (Urt. v. 23.06.2010 – 5 Sa 14/10), wonach auch eine Selbstbeschreibung als „junges, dynamisches Unternehmen“ eine Diskriminierung älterer Bewerber vermuten lasse, da sich ältere Bewerber durch eine solche Anzeige weniger eingeladen fühlen dürften als jüngere Bewerber, sieht das LArbG Kiel hierin – zutreffend – kein Indiz für eine Diskriminierung. Es argumentiert, dass ein junges Unternehmen nicht zwangsläufig überwiegend junge Arbeitnehmer beschäftige oder suche. Es könne nicht unterstellt werden, jüngere Bewerber würden sich eher zu neu gegründeten Unternehmen hingezogen fühlen, während ältere Bewerber eingeführte Unternehmen bevorzugten. Den vom LArbG Hamburg herangezogenen Erfahrungssatz, der Leser einer solchen Anzeige werde davon ausgehen, eher ins Unternehmen zu passen, wenn er selbst ein entsprechendes Alter habe, zieht das LArbG Kiel in Zweifel.
Vorliegend war die Beklagte der Auffassung, die Klägerin habe in rechtsmissbräuchlicher Weise mit ihrer Bewerbung versucht, einen Anlass für eine Entschädigungsklage zu schaffen. Eine solche Vermutung liegt häufig nahe. Insoweit ist die jüngst ergangene Entscheidung des EuGH vom 28.07.2016 (C-423/15, dazu Zimmermann, DB 2016, 2240) zu beachten. Danach können Scheinbewerber, die sich nur bewerben, um abgelehnt zu werden und im Anschluss eine Entschädigungsklage zu erheben, keine Entschädigung wegen Diskriminierung verlangen. Regelmäßig werden Unternehmen indes auf Schwierigkeiten dabei stoßen, die subjektive Seite des missbräuchlichen Verhaltens darzulegen und zu beweisen. Dabei kann indes die objektive Ungeeignetheit des Bewerbers als Indiz für ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten dienen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Für Unternehmen ist im Hinblick auf die Vermeidung möglicher Indizien einer Diskriminierung stets große Sorgfalt bei der Formulierung von Stellenanzeigen geboten. Beschreibt sich ein erst wenige Jahre bestehendes Unternehmen selbst als „junges, dynamisches Unternehmen“, lässt dies nach der Entscheidung des LArbG Kiel indes keine Diskriminierung vermuten. Etwas anderes kann hingegen bei Beschreibungen wie „Wir sind ein junges, dynamisches Team“, „Es erwartet Sie ein junges, dynamisches Team“ oder „Wir bieten Ihnen ein junges, dynamisches Team“ gelten. Zudem ist zu beachten, dass die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte zu der Frage, ob in der Selbstbeschreibung als „junges, dynamisches Unternehmen“ ein Indiz für eine unzulässige Benachteiligung liegt, insoweit nicht einheitlich ist.