Nachfolgend ein Beitrag vom 3.4.2017 von Geserich, jurisPR-SteuerR 14/2017 Anm. 1

Leitsätze

1. Leistet der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die Nutzung eines betrieblichen Kfz zu privaten Fahrten und zu Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ein Nutzungsentgelt, mindert dies den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung (Anschluss an Senatsurt. v. 07.11.2006 – VI R 95/04 – BFHE 215, 252 = BStBl II 2007, 269).
2. Ein negativer geldwerter Vorteil (geldwerter Nachteil) kann aus der Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung auch dann nicht entstehen, wenn das vom Arbeitnehmer zu zahlende Nutzungsentgelt den Wert der privaten Dienstwagennutzung und der Nutzung des Fahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte übersteigt.
3. Soweit das Nutzungsentgelt den Wert der privaten Dienstwagennutzung und der Nutzung des Fahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte übersteigt, kann es auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abgezogen werden.

A. Problemstellung

Streitig ist, in welcher Höhe ein vom Arbeitnehmer selbst getragenes Nutzungsentgelt bei der Bewertung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung eines Dienstwagens nach der Fahrtenbuchmethode zu berücksichtigen ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger ist Arbeitnehmer. Seine Arbeitgeberin stellte ihm einen geleasten Dienstwagen zur Verfügung, den er auch für Privatfahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nutzen durfte. Hierfür hatte er ein monatliches Nutzungsentgelt i.H.v. 500 Euro zu leisten. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) ermittelte der Kläger den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens nicht wie im Lohnsteuerabzugsverfahren nach der 1%-Regelung, sondern nach der Fahrtenbuchmethode und legte ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vor. Danach betrug der geldwerte Vorteil aus der Privatnutzung des betrieblichen PKW 4.500 Euro. Diesem stellte der Kläger das an die Arbeitgeberin entrichtete Nutzungsentgelt i.H.v. 6.000 Euro sowie eine Entfernungspauschale für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.H.v. 759 Euro als Werbungskosten gegenüber. Das Finanzamt setzte den lohnsteuerlichen Vorteil mit 0 Euro an und gewährte die geltend gemachte Entfernungspauschale. Einen weitergehenden Werbungskostenabzug ließ es jedoch nicht zu. Das Finanzgericht wies die Klage ab (FG Leipzig, Urt. v. 05.02.2014 – 4 K 2256/09).
Der BFH hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das Finanzgericht habe das vom Kläger gezahlte Nutzungsentgelt zu Recht nur in Höhe des geldwerten Vorteils aus der Nutzung des Dienstwagens für private Fahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte steuermindernd berücksichtigt. Das vom Kläger an seine Arbeitgeberin gezahlte Nutzungsentgelt i.H.v. 6.000 Euro mindere den Wert des geldwerten Vorteils. Da das Nutzungsentgelt im Streitfall den Nutzungswert überstiegen habe, sei der geldwerte Vorteil im Ergebnis mit 0 Euro zu bewerten. Der Ansatz eines (negativen) geldwerten Vorteils (geldwerten Nachteils) aus der Dienstwagenüberlassung scheide aus. Auch ein weitergehender Werbungskostenabzug sei nicht möglich.

C. Kontext der Entscheidung

I. Negative Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit kommen nach der Rechtsprechung des BFH allenfalls bei der Rückzahlung von Arbeitslohn in Betracht (z.B. BFH, Urt. v. 07.05.2009 – VI R 37/08 – BStBl II 2010, 135; BFH, Urt. v. 17.09.2009 – VI R 17/08 – BStBl II 2010, 299, Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 4/2010 Anm. 3). Die zurückgezahlten Beträge sind im Zeitpunkt der Rückzahlung als negative Einnahmen oder Werbungskosten zu berücksichtigen (BFH, Urt. v. 04.05.2006 – VI R 33/03 – BStBl II 2006, 911; BFH, Urt. v. 05.07.2007 – VI R 58/05 – BStBl II 2007, 774, Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 37/2007 Anm. 4). Sind Einnahmen nach § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen, so erfordert umgekehrt die Annahme negativer Einnahmen, dass entsprechende Güter beim Steuerpflichtigen abfließen (BFH, Urt. v. 17.09.2009 – VI R 17/08). Des Weiteren sind Arbeitslohnrückzahlungen nur anzunehmen, wenn sich der Vorgang als „actus contrarius“ zur Lohnzahlung darstellt. Denn nur dann setzt sich der Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bei den zurückgezahlten Beträgen fort (BFH, Urt. v. 07.05.2009 – VI R 37/08).
II. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Teil des Nutzungsentgelts, das den Wert des geldwerten Vorteils aus der Dienstwagenüberlassung übersteigt, nicht um negative Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Zahlung des Nutzungsentgelts erfolgt nicht, um den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens im Sinne eines „actus contrarius“ rückgängig zu machen. Der Arbeitnehmer (Kläger) zahlt das Nutzungsentgelt vielmehr gerade deshalb, um den Vorteil überhaupt erst zu erlangen. Soweit das Nutzungsentgelt den geldwerten Vorteil aus der Dienstwagenüberlassung übersteigt, fehlt es für die Annahme (negativer) Einnahmen auch an einem steuerlich relevanten Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Denn die Zahlung ist insoweit nicht durch die Erzielung steuerbarer und steuerpflichtiger Einnahmen, sondern durch die private Nutzung des Dienstwagens veranlasst. Aufwendungen für die private Fahrzeugnutzung sind steuerlich jedoch nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitnehmer solche Aufwendungen an seinen Arbeitgeber leistet.
III. Bei dem Nutzungsentgelt handelt es sich schließlich auch nicht um Werbungskosten. Denn Nutzungsentgelte (und andere Eigenleistungen) mindern den Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens zu privaten Fahrten sowie zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bereits auf der Einnahmeseite (BFH, Urt. v. 30.11.2016 – VI R 2/15 – DStR 2017, 371, Anm. Geserich, jurisPR-SteuerR 10/2017 Anm. 1; BFH, Urt. v. 07.11.2006 – VI R 95/04 – BStBl II 2007, 269, Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 7/2007 Anm. 2). Es kann folglich nicht (nochmals) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit auf der Ausgabenseite abgezogen werden. Soweit sich aus den BFH-Urteilen vom 18.10.2007 (VI R 57/06 – BStBl II 2009, 199 betreffend den Werbungskostenabzug von Eigenleistungen bei der Fahrtenbuchmethode und VI R 59/06 – BStBl II 2009, 200 betreffend Zuzahlungen zu den Anschaffungskosten) etwas anderes ergibt, hält der BFH daran nicht fest.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Ein Werbungskostenabzug scheidet auch insoweit aus, als das Nutzungsentgelt den Wert des (steuerbaren) Vorteils aus der Dienstwagenüberlassung übersteigt. Insoweit fehlt es ebenfalls an einer beruflichen Veranlassung. Die Zahlung des Nutzungsentgelts ist, soweit es den Wert des Vorteils übersteigt, nicht durch die Erzielung von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern durch die steuerunerhebliche private Nutzung des Dienstwagens veranlasst. Denn der Arbeitnehmer leistet das Nutzungsentgelt nicht, weil er mit dem ihm überlassenen betrieblichen Fahrzeug (auch) Dienstreisen unternimmt, sondern weil die Zahlung des Nutzungsentgelts Voraussetzung für die private Nutzung des betrieblichen Pkw ist. Die berufliche Veranlassung kann insbesondere nicht auf die Erwägung gestützt werden, der Arbeitnehmer (Kläger) unternehme mit dem ihm überlassenen betrieblichen Fahrzeug auch beruflich veranlasste Fahrten, für die das Nutzungsentgelt (jedenfalls anteilig) ebenfalls aufgewendet worden sei. Denn es kann grundsätzlich und so auch im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitnehmer an seinen Arbeitgeber für die berufliche Nutzung eines Firmenwagens ein Entgelt entrichtet. Die Aufwendungen für Dienstreisen hat regelmäßig der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer zu tragen. Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber zumeist (tarif)vertraglich, jedenfalls aber entsprechend § 670 BGB Anspruch auf den Ersatz von Aufwendungen, die ihm bei Erbringung der Arbeitsleistung entstehen. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind und der Arbeitnehmer sie nicht selbst tragen muss, weil er dafür eine besondere Vergütung erhält. Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Handhabung in Bezug auf die Kosten beruflich veranlasster Dienstreisen des Klägers für seine Arbeitgeberin hat das Finanzgericht im Streitfall nicht festgestellt.
II. Nach der Neuordnung der Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Berücksichtigung von Arbeitnehmerzuzahlungen zum Dienstwagen sind sämtliche Zahlungen/Eigenleistungen des Arbeitnehmers für die außerdienstliche Nutzung eines betrieblichen Kfz auf der Einnahmeseite vorteilsmindernd bis auf 0 Euro zu berücksichtigen (BFH, Urt. v. 30.11.2016 – VI R 2/15). Eine Unterscheidung nach pauschalen vorteilsmindernden Nutzungsentgelten und einzelnen (individuellen) Eigenleistungen, die je nach Bewertungsmethode dem Werbungskostenabzug zugänglich oder ohne steuerliche Auswirkungen waren, ist (auch bei der Berechnung des sozialversicherungspflichtigen Entgelts) damit nicht länger erforderlich.