Nachfolgend ein Beitrag vom 13.2.2017 von Geserich, jurisPR-SteuerR 7/2017 Anm. 5

Leitsätze

1. Die einem Arbeitnehmer gewährte Prämie für einen Verbesserungsvorschlag stellt keine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit dar, wenn sie nicht nach dem Zeitaufwand des Arbeitnehmers, sondern ausschließlich nach der Kostenersparnis des Arbeitgebers in einem bestimmten künftigen Zeitraum berechnet wird (Bestätigung des Senatsurt. v. 16.12.1996 – VI R 51/96 – BFHE 182, 161 = BStBl II 1997, 222).
2. Versorgungsleistungen aus einer Pensionszusage, die an die Stelle einer in einem vergangenen Jahr erdienten variablen Vergütung (Bonus) treten, sind keine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit.

A. Problemstellung

Streitig ist, ob Versorgungsleistungen als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern sind.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger bezog im Streitjahr 2008 neben einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung u.a. Versorgungsleistungen aus einer arbeitnehmerfinanzierten Zusage. Die Auszahlung der Versorgungsleistungen resultierte aus einem Angebot der Arbeitgeberin an ihre Führungskräfte, erstmals ab dem Geschäftsjahr 1998/1999 den jährlichen Bonus oder einen Teil hiervon im Rahmen einer Entgeltumwandlung in eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung einzubringen. Die Führungskraft musste ihr Umwandlungswahlrecht jährlich ausüben. Als Versorgungsleistung war für jede jährliche Umwandlung eine eigenständige Einmalzahlung bei Erreichen der Altersgrenze von 60 Jahren, bei Erwerbsminderung oder im Todesfall vorgesehen. Jährlich konnte nur eine „Zusage“ ausgezahlt werden. Bei Ausscheiden der Führungskraft nach Vollendung des 60. Lebensjahres wurde das Vorsorgekapital jährlich mit zusätzlich … % verzinst. Das Vorsorgekapital aus der „ältesten“ Umwandlung wurde grundsätzlich im Januar des auf den Versorgungsfall folgenden Kalenderjahres fällig. Es war auch möglich, alle „Zusagen“ in einem Einmalbetrag bei Eintritt des Versorgungsfalls auszahlen zu lassen. Für die Wirtschaftsjahre 2000/2001 bis 2006/2007 entschied sich der Kläger, die Versorgezusage jeweils in Anspruch zu nehmen. Zum … 2006 trat er in den Ruhestand. Entsprechend der Wahl des Klägers, die Versorgungsleistungen von 2007 bis 2013, d.h. über mehrere Jahre gestaffelt, ausgezahlt zu bekommen, unterwarf die Arbeitgeberin das Vorsorgekapital – ohne Anwendung der Fünftelregelung gemäß § 34 EStG – der Lohnversteuerung. Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2008 begehrte der Kläger die ermäßigte Besteuerung der Versorgungsleistungen.
Seine Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht sah die Voraussetzungen des § 34 EStG in Bezug auf den streitigen Vorsorgeplan als gegeben an (FG Stuttgart, Urt. v. 08.11.2013 – 10 K 83/12). Auf die Revision des Finanzamts hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

C. Kontext der Entscheidung

I. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten besonderen Tarif, der sogenannten „Fünftelregelung“ (§ 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG), zu berechnen. Als ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte kommen insbesondere Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 HS. 1 EStG). Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 HS. 2 EStG ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört, und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zusammentrifft. Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden (z.B. BFH, Urt. v. 03.07.1987 – VI R 43/86 – BStBl II 1987, 820; BFH, Urt. v. 07.05.2015 – VI R 44/13 – BStBl II 2015, 890 m. Anm. Geserich, jurisPR-SteuerR 38/2015 Anm. 4; BFH, Urt. v. 07.08.2014 – VI R 57/12 – BFH/NV 2015, 181 „Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten“ nur bei zweckbestimmter Verknüpfung von Vergütung und Tätigkeitsdauer; Mellinghoff in: Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 34 Rn. 32; Schmidt/Wacker, EStG, 35. Aufl., § 34 Rn. 44; Horn in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 34 EStG Rn. 64; Zimmermann in: Lademann, EStG, § 34 Rn. 121; Blümich/Lindberg, EStG, § 34 Rn. 57; Graf in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 34 Rn. 106; R 34.4 Abs. 2 EStR). Diese mehrjährige Zweckbestimmung kann sich entweder aus dem Anlass der Zuwendung oder aus den übrigen Umständen ergeben. Soweit andere Hinweise auf den Verwendungszweck fehlen, kommt der Berechnung des Entgelts maßgebliche Bedeutung zu (BFH, Urt. v. 16.12.1996 – VI R 51/96 – BStBl II 1997, 222; BFH, Urt. v. 07.05.2015 – VI R 44/13 – BStBl II 2015, 890; Horn in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 34 EStG Rn. 64; Mellinghoff in: Kirchhof, EStG, § 34 Rn. 30).
Darüber hinaus muss die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgen (BFH, Urt. v. 07.05.2015 – VI R 44/13 – BStBl II 2015, 890, Rn. 17 m.w.N.).
II. Geht man wie das Finanzgericht von jährlich gesondert zu betrachtenden und rechtlich selbstständigen Einzelvereinbarungen über die Umwandlung des erdienten Anspruchs auf Bonuszahlung in einen Anspruch auf spätere wertgleiche Versorgungsleistung aus, fehlt ein veranlagungszeitraumübergreifendes Geschehen und folglich eine Vergütung für eine „mehrjährige“ Tätigkeit.
Nach der zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin getroffenen Vereinbarung treten die Versorgungsleistungen an die Stelle einer variablen Vergütung (Bonus). Damit wird die Auszahlung des Bonus, der eine Entlohnung für die Leistungen des vergangenen Geschäftsjahres darstellt, aufgeschoben. Mit der späteren Auszahlung des Vorsorgekapitals im Versorgungsfall wird also der zurückgehaltene Lohn und somit das für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres Erdiente ausbezahlt. Mithin wird mit dem Vorsorgekapital die Leistung des Jahres entgolten, in dem der Anspruch auf den Bonus erdient wurde, nicht hingegen eine mehrjährige Tätigkeit.
Würdigt man das Angebot der Arbeitgeberin hingegen als eine einheitlich konzipierte und zu beurteilende Gesamtversorgung, im Rahmen derer nur die Erhöhung der Versorgungsleistungen bzw. die Einzahlungsmodalitäten jährlich neu festgelegt werden, so fehlt es an einem zusammengeballten Zufluss des Vorsorgekapitals. Es handelt sich in diesem Fall vielmehr um eine Teilkapitalauszahlung eines einheitlichen Vertrages, für die das Merkmal der Zusammenballung nicht erfüllt ist.
III. Die BFH-Rechtsprechung zu Aktienoptionen (BFH, Beschl. v. 10.07.2008 – VI R 70/06 – BFH/NV 2008, 1828; BFH, Urt. v. 15.01.2015 – VI R 16/12 – BFH/NV 2015, 672) steht dem nicht entgegen. Mit einem Aktienoptionsprogramm soll der Arbeitnehmer zukunftsorientiert an das Unternehmen gebunden werden. Die geldwerten Vorteile aus einem derartigen Programm bilden im Regelfall als Anreizlohn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit, wenn die Laufzeit zwischen Einräumung und Ausübung der Optionsrechte mehr als zwölf Monate beträgt und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch bei seinem Arbeitgeber beschäftigt ist. Mit einer Bonuszahlung soll demgegenüber gerade die Leistung im vergangenen Geschäftsjahr honoriert werden.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der im Auszahlungsbetrag enthaltene Zinsanteil ist steuerlich ebenso zu bewerten wie die Versorgungsleistungen. Der Bonus wurde durch Umwandlung in eine Pensionszusage nicht abgerufen, sondern gestundet. Die Zinsen entstanden aufgrund der zeitversetzten Auszahlung der variablen Vergütung. Sie bemaßen sich nicht nach den Arbeitsleistungen des Klägers in mehreren Jahren, sondern allein nach der Zeit, für die das Vorsorgekapital nach Erreichen des 60. Lebensjahres gestundet wurde.