Nachfolgend ein Beitrag vom 19.4.2017 von Ulrici, jurisPR-ArbR 16/2017 Anm. 5

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Die Regelung des § 288 Abs. 5 BGB findet auch auf arbeitsrechtliche Entgeltansprüche Anwendung.
2. Eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht ist nicht aufgrund der Wertung des § 12a ArbGG geboten.
3. Die Anrechnungsvorschrift in § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB betrifft nur den außergerichtlichen Kostenerstattungsanspruch, nicht aber einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch.

A. Problemstellung

Nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB steht dem Gläubiger einer Entgeltforderung gegen den Schuldner, der kein Verbraucher ist, im Falle des Verzugs ein Anspruch auf Zahlung einer Pauschale i.H.v. 40 Euro zu. Ob ein solcher Anspruch auch Arbeitnehmern zusteht, wenn der Arbeitgeber mit der Zahlung des Arbeitsentgelts in Verzug gerät, ist umstritten. Das LArbG Stuttgart (Urt. v. 13.10.2016 – 3 Sa 34/16 Rn. 91 ff., nur obiter dictum) und die ganz h.A. im Schrifttum bejahen diese Frage (z.B. Brors in: NK-GA, 2016, § 288 BGB Rn. 6; Lembke, FA 2014, 357, 358; ders., NZA 2016, 1501; Tiedemann, ArbRB 2015, 312, 313 f.; Ernst in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2016, § 288 Rn. 30; Hülsemann, ArbR 2015, 146; Richter, ArbR 2016, 229; Färber/Pipoh, DB 2017, 67). Bereits frühzeitig hat sich Diller gegen die h.A. gestellt (NZA 2015, 1095; ebenso Koch in: ErfKomm, 17. Aufl. 2017, § 12a ArbGG Rn. 1). Ihm sind in der Rechtsprechung das ArbG Düsseldorf (Urt. v. 12.05.2016 – 2 Ca 5416/15), das ArbG Nürnberg (Urt. v. 11.11.2016 – 12 Ca 6016/15) sowie als Vorinstanz zur zu besprechenden Entscheidung auch das ArbG Aachen gefolgt (mit abw. Begründung i.E. ebenso Ulrici, jurisPR-ArbR 44/2016 Anm. 2). Nunmehr setzt sich mit dem LArbG Köln ein weiteres Landesarbeitsgericht mit der Streitfrage auseinander.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten um restliche Vergütung und die Zahlung von jeweils 40 Euro Verzugspauschale für die Monate April, Mai und Juni 2015.
I. Der Kläger war vom 15.10.2014 bis zum 30.06.2015 Arbeitnehmer der Beklagten und wurde an einen Dritten (Kundenbetrieb) überlassen. Auf das Arbeitsverhältnis fand ein Tarifwerk der Leiharbeit Anwendung, welches einen Branchenzuschlag auf das reguläre Stundenentgelt vorsah. Über die tarifvertraglich vorgesehene Deckelung dieses Zuschlags (dazu ausf. Ulrici, HK-AÜG, 2017, § 8 Rn. 132 ff.) gerieten die Parteien in Streit. Mit seiner Klage machte der Kläger für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses ihm nach seiner Ansicht zustehende weitere Vergütung geltend. Darüber hinaus machte er bezogen auf jeden der Monate einen Anspruch auf eine Pauschale in Höhe von jeweils 40 Euro geltend. Hierbei stützt er sich betreffend die Monate April, Mai 2015 auf den Verzug der Beklagten mit den geltend gemachten Branchenzuschlägen. Den Anspruch auf die Pauschale für Juni 2015 stützt er zusätzlich darauf, dass die Beklagte – ohne Angabe von Gründen – unzutreffend als Bezugsgröße ein um 0,30 Euro zu geringes Stundenentgelt angesetzt und daher ohne Rücksicht auf die Begrenzung des Branchenzuschlags einen Betrag von 49,26 Euro brutto zu wenig gezahlt habe.
Das Arbeitsgericht hatte für Juni 2015 einen noch bestehenden Vergütungsanspruch i.H.v. 49,26 Euro bejaht und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, welche vor dem LArbG Köln teilweise erfolgreich war.
II. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts habe das Arbeitsgericht zwar zu Recht über einen Betrag von 49,26 Euro hinausgehende Vergütungsansprüche verneint, weil der Kläger trotz ausdrücklicher Hinweise seiner sekundären Darlegungslast betreffend das (Nicht-)Eingreifen der tarifvertraglichen Deckelung des Branchenzuschlags nicht nachgekommen sei. In der Folge bestünden betreffend die Monate April und Mai mangels Hauptforderung und Zahlungsverzugs auch keine Ansprüche auf eine Verzugspauschale. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts stehe dem Kläger aber nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB betreffend das Monatsentgelt Juni 2015 ein Anspruch auf Zahlung von 40 Euro zu.
1. Zunächst finde § 288 Abs. 5 BGB intertemporal Anwendung. Die mit Wirkung zum 29.07.2014 eingefügte Vorschrift gelte im Grundsatz für alle nach dem 28.07.2014 entstandenen Schuldverhältnisse (Art. 229 § 34 Satz 1 EGBGB; vgl. dazu Düwell, jurisPR-ArbR 33/2016 Anm. 1) und damit auch für das im Oktober 2014 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien.
2. Auch sei die Beklagte kein Verbraucher und hinsichtlich des Arbeitsentgelts für den Monat Juni 2015 Schuldnerin eines Entgeltanspruchs. Dieser sei i.H.v. 49,26 Euro nicht fristgemäß erfüllt worden, weshalb die Beklagte insoweit in Verzug geraten sei.
3. Dem Anspruch stehe § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB nicht entgegen.
a) Nach § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB sei die Pauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet liege.
aa) Im allgemeinen Zivilrecht bedeute dies, dass bei Schuldnerverzug der Gläubiger zwar grundsätzlich nach § 286 BGB auch einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (z.B. für die Beauftragung eines Rechtsanwalts) habe, er aufgrund der Anrechnung nach § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB dann aber nicht zusätzlich die Pauschale beanspruchen dürfe.
bb) Dagegen bestehe im Arbeitsrecht kein außergerichtlicher Kostenerstattungsanspruch. So sehe § 12a ArbGG vor, dass im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten bestehe. In analoger Anwendung werde hieraus abgeleitet, dass im Arbeitsrecht erst recht kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten aus § 286 BGB bestehe (BAG, Urt. v. 30.04.1992 – 8 AZR 288/91 – NZA 1992, 1101, 1102). Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich anordnet, dass im gerichtlich geführten Verfahren erstinstanzlich kein Kostenerstattungsanspruch bestehe, jedoch für eine bereits im Vorfeld eines gerichtlich ausgetragenen Rechtsstreits erfolgte Beauftragung eines Rechtsanwalts Kostenerstattung zu leisten wäre.
cc) Aufgrund des Fehlens eines außergerichtlichen Kostenerstattungsanspruchs für Rechtsverfolgungskosten komme § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB bei arbeitsrechtlichen Entgeltforderungen keine Bedeutung zu.
b) Die vom Arbeitsgericht im Anschluss an Diller vertretene Gegenansicht überzeuge nicht. Nach dieser solle § 12a ArbGG eine spezialgesetzliche Ausnahmeregelung darstellen, welche § 288 Abs. 5 BGB in ihrem Anwendungsbereich verdrängt. Es werde angenommen, dass es systemwidrig sei, wenn der Arbeitnehmer bei außergerichtlicher Geltendmachung die Pauschale i.H.v. 40 Euro erhielte, er aber auf viel höheren Anwaltskosten sitzen bliebe. Auch erfolge nach § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB eine Anrechnung nicht nur auf den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch nach § 286 BGB, sondern auf jeden Erstattungsanspruch unabhängig von der Anspruchsgrundlage und damit jedenfalls auf den für die Berufungsinstanz entstehenden prozessualen Kostenerstattungsanspruch mit dem sinnwidrigen Ergebnis, dass eine erstinstanzlich zuerkannte Verzugskostenpauschale ggf. in der Berufungsinstanz abzuerkennen sei. Diese von der Vorinstanz geteilte Sichtweise überzeuge aber aus folgenden Gründen nicht:
aa) Zunächst fehle bereits eine planwidrige Regelungslücke, die für eine verdrängende analoge Anwendung von § 12a ArbGG erforderlich wäre. Vielmehr bringe § 288 Abs. 5 BGB eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck, wonach die Regelung auf Entgeltforderungen des Arbeitnehmers anzuwenden sei.
(1) Im Wortlaut der Regelung lasse sich kein Anhaltspunkt für eine Nichtanwendung im Arbeitsverhältnis finden. Zudem habe sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, den Anwendungsbereich der der Umsetzung der Zahlungsverzugs-RL 2011/7/EU dienenden Vorschrift über die Richtlinienvorgaben hinaus auch auf Gläubiger zu erstrecken, die keine Unternehmer, sondern Verbraucher sind. Gerade diese Ausweitung stehe einer Einschränkung diametral entgegen, weil der Arbeitnehmer die klassische Konstellation eines Verbrauchers als Gläubiger einer Entgeltforderung sei.
(2) Ebenso spreche die teleologisch-systematische Auslegung von § 288 Abs. 5 BGB für die Anwendung im Arbeitsverhältnis. Die gegenteilige Sichtweise übersehe, dass die Pauschale gerade nicht eine bloße Pauschalierung von Rechtsverfolgungskosten darstelle, sondern Elemente eines dem deutschen Recht bislang fremden und dem anglo-amerikanischen Rechtskreis entstammenden „Straf-Schadensersatzes“ enthält. Der säumige Schuldner solle für eine verspätete bzw. unvollständige Zahlung dahingehend sanktioniert werden, dass er ohne Rücksicht auf das Ergreifen irgendwelcher Anstrengungen oder das Entstehen von Rechtsverfolgungskosten mindestens 40 Euro zahlen muss. Er müsse dazu gerade nicht darlegen, dass ihm konkret irgendein Schaden oder irgendwelche Kosten entstanden sind. Insofern könne ein systematischer Zusammenhang des Anspruchs aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB mit Rechtsverfolgungskosten gerade nicht hergestellt werden. Erst in der Ausnahmevorschrift in § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB würden Rechtsverfolgungskosten relevant. Dementsprechend bestehe ein systematischer Zusammenhang des Anspruchs aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB vielmehr zu den unstreitig im Zusammenhang mit verspäteter Entgeltzahlung auch im Arbeitsverhältnis bestehenden Ansprüchen auf Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 bis 3 BGB) und Verzugsschadensersatz (§ 288 Abs. 4 BGB). Insofern wäre es systemwidrig, wenn ein Arbeitnehmer bei verspäteter Zahlung des Arbeitsentgelts zwar den gesetzlichen Verzugszins nach § 288 Abs. 1 BGB und ggf. den weitergehenden Verzugsschaden nach § 288 Abs. 4 BGB geltend machen könnte, ihm jedoch der neue Pauschalersatz nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB verwehrt bliebe. Denn die Regelung in § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB knüpfe systematisch gerade an die vorherigen Absätze in § 288 BGB und insbesondere den gesetzlichen Verzugszins an. Auch dieser verfolge ausweislich des vergleichsweise hohen Zinssatzes wie § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB das Ziel, den Druck auf säumige Schuldner zu erhöhen, damit diese ihren Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachkommen.
bb) Von Vorstehendem ausgehend ergebe die teleologisch-systematische Auslegung weiter, dass die Ausnahmevorschrift des § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB auf einen außergerichtlichen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch beschränkt sein müsse und entgegen Diller nicht auf den (im arbeitsgerichtlichen Verfahren zweitinstanzlich bestehenden) prozessualen Kostenerstattungsanspruch erstreckt werden könne.
(1) Dafür spreche schon, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich restriktiv auszulegen sind.
(2) Darüber hinaus ergebe sich dies aus dem Zweck der Norm. So solle § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB eine übermäßige Sanktion zulasten des säumigen Schuldners verhindern. Denn auch ein drohender außergerichtlicher Erstattungsanspruch für Rechtsverfolgungskosten könne die mit der Regelung in § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB erwünschte Zielrichtung verfolgen, den Schuldner zur pünktlichen Zahlung anzuhalten. Komme es dennoch zum Schuldnerverzug und zur Erstattungspflicht außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, sei es naheliegend und folgerichtig, dass § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB anordnet, dass nicht zusätzlich die Pauschale gezahlt werden müsse, nachdem Druck bereits durch die potentielle Kostenerstattungspflicht aufgebaut wurde. Diese Überlegungen greifen jedoch nur, wenn es materiell-rechtlich einen Erstattungsanspruch für vorgerichtliche Kosten gibt. Ist ein solcher wegen § 12a ArbGG ausgeschlossen, sei für die Anwendung von § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB kein Raum.
(3) Eine teilweise geforderte Ausweitung von § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB auf einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch sei fernliegend. Bereits der Wortlaut spreche ausdrücklich lediglich von einem „geschuldeten Schadensersatz“, auf den die Pauschale anzurechnen ist, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung besteht. Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch, der auf prozessualen Normen beruht, habe nichts mit einem materiell-rechtlich „geschuldeten Schadensersatz“ zu tun.
(4) Insofern sei auch bei § 12a ArbGG zu beachten, dass es sich um eine prozessuale und nicht um eine materiell-rechtliche Norm handelt. Bereits ihre Erstreckung auf materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche beruhe lediglich auf einer Analogie, um eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Lebenssachverhalte zu vermeiden. Eine entsprechende Vergleichbarkeit bestehe bei der Regelung in § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB im Vergleich zu § 12a ArbGG jedoch nicht mehr, weil § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB einen von tatsächlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten völlig unabhängigen Pauschalersatz im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Verzugszinsrecht regelt.
(5) Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sich eine Anwendung von § 12a ArbGG vorliegend nur zulasten des Arbeitnehmers (als dem Entgeltgläubiger) auswirken könne, obwohl § 12a ArbGG jedenfalls in der Theorie darauf ziele, den Arbeitnehmer vor den Risiken einer Kostenerstattung zu schützen.

C. Kontext der Entscheidung

Auf der Grundlage des (in diesem Rahmen nicht zu hinterfragenden) ganz vorherrschenden Verständnisses von § 12a ArbGG einschließlich der zu dieser Regelung befürworteten Analogien ist der Entscheidung nicht zu folgen.
I. Die vom Gericht als maßgeblich angesehenen Erwägungen beruhen zunächst auf einem Missverständnis des Schuldrechts.
1. Das Gericht unterscheidet zwischen Kostenerstattungsansprüchen aus § 286 BGB einerseits und Ansprüchen nach § 288 Abs. 1 bis 3 BGB (Zinsen) sowie § 288 Abs. 4 BGB (weiterer Verzugsschaden) andererseits (Rn. 88 f. des Urteils). Den Anspruch aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB ordnet es den Zins- und weiteren Verzugsschäden mit der Folge zu, dass es an einer Regelungslücke für eine entsprechende Anwendung von § 12a ArbGG fehle (Rn. 76 ff. des Urteils) und insbesondere eine entsprechende Anwendung von § 12a ArbGG nicht gerechtfertigt sei, weil eine solche auch Zins- und weitere Verzugsschäden nicht ausschließe (Rn. 89 des Urteils).
2. Das Gericht erkennt dabei nicht, dass § 288 Abs. 4 BGB keinen Anspruch auf Verzugsschadensersatz begründet, sondern vergleichbar wie § 340 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich das Verhältnis zweier anderweitig begründeter Ansprüche (Zinsanspruch aus § 288 Abs. 1 bis 3 BGB und Anspruch auf Verzugsschadensersatz) regelt. Der Anspruch auf Verzugsschadensersatz, welchen § 288 Abs. 4 anspricht, folgt dabei aus den §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB. Es handelt sich hierbei um denselben Anspruch, welcher im Ausgangspunkt auch den Ersatz von Rechtsverfolgungskosten trägt.
3. Erkennt man dies, entfällt zunächst das Argument des Gerichts, dass § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB eine klare Regelung enthalte und keine für eine entsprechende Anwendung von § 12a ArbGG erforderliche Regelungslücke bestehe. Denn auch die §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 249 f. BGB enthalten eine klare Regelung, aus der sich ein Anspruch auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten ergibt (vgl. nur BT-Drs. 18/1309, S. 11). Gleichwohl sieht das BAG Raum, um über eine entsprechende Anwendung von § 12a ArbGG auszuschließen, dass dieser Schadensersatzanspruch bestimmte Positionen vorgerichtlicher und erstinstanzlicher Rechtsverfolgungskosten umfasst. Dies rechtfertigt sich daraus, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit den allgemein im Zivilrecht geltenden Regelungen in den §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB (sowie den Vorläuferregelungen) zu keinem Zeitpunkt erwogen hat, inwieweit auf dieser Grundlage im Widerspruch zur Wertungen in § 12a ArbGG Rechtsverfolgungskosten ersatzfähig sein sollen. Dies allerdings trifft auf § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB nicht minder zu. Die Gesetzesbegründung zu dieser ebenfalls allgemein im Zivilrecht geltenden Regelung lässt keine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen auf das Arbeitsrecht erkennen (dazu kritisch: Düwell, jurisPR-ArbR 33/2016 Anm. 1). Dass das Gericht den Arbeitnehmer zum geradezu typischen Fall eines Verbrauchers als Entgeltgläubiger erklärt (ebenso LArbG Stuttgart, Urt. v. 13.10.2016 – 3 Sa 34/16 Rn. 93; Lembke, NZA 2016, 1501, 1504), ändert hieran nichts, weil der Arbeitnehmer nach zutreffender Ansicht zwar Verbraucher, aber – dies zeigt der intensive Streit um die Verbrauchereigenschaft – sicher kein in dem Sinne typischer Verbraucher ist, dass ein belastbarer Auslegungsschluss ermöglicht wird.
4. Weiter wendet sich auf der Grundlage der tatsächlichen schuldrechtlichen Zusammenhänge der Verweis des Gerichts auf die Nähe des Anspruchs aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB zum neben (vgl. § 288 Abs. 4 BGB) dem Zinsanspruch bestehenden Anspruch auf Verzugsschadensersatz (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB) gegen die vom Gericht befürwortete Auslegung. Denn gerade der von § 288 Abs. 4 BGB angesprochene Schadensersatzanspruch aus den §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB wird durch eine entsprechende Anwendung von § 12a ArbGG beschränkt. Das systematische Argument, welches auf den Zahlungsverzug als gemeinsamen Grundtatbestand des Zinsanspruchs (§ 288 Abs. 1 bis 3 BGB), des in § 288 Abs. 4 BGB erwähnten Anspruchs auf weiteren Schadensersatz sowie des Anspruchs aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB verweist, liefert danach kein Argument, weil zwar nicht der Zinsanspruch (§ 288 Abs. 1-3 BGB), wohl aber der Verzugsschadensersatz durch entsprechende Anwendung von § 12a ArbGG beschränkt wird.
II. Nicht der Streitentscheidung, sondern eher der Vernebelung dient dann der Hinweis des Gerichts (ebenso Diller, NZA 2015, 1095; vgl. auch Lembke, NZA 2016, 1501, 1502, 1504; vgl. auch Dornis in: BeckOGK, Stand: 15.12.2016, § 288 BGB Rn. 63; Seggewiße/Weber, MDR 2016, 250, 251), dass der Anspruch aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB Elemente eines dem deutschen Recht bislang fremden und dem anglo-amerikanischen Rechtskreis entstammenden „Straf-Schadensersatz“ aufweist. Der Vorschrift wird hierdurch gleichsam etwas Mystisches und die Bindung an Recht und Gesetz Lockerndes zugeschrieben. Dem ist zu widersprechen:
1. „Straf-Schadensersatz“ anglo-amerikanischen Rechts zeichnet sich dadurch aus, dass derjenige, der einem anderen einen Schaden zufügt, nicht nur den zurechenbar entstanden Schaden zu ersetzen, sondern darüber hinaus (zusätzlich) einen Strafbetrag zu zahlen hat. Eine hiermit bezweckte Verhaltenssteuerung lässt sich zwar durchaus auch bei § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB finden. Gleichwohl kann es sich schon deshalb nicht um einen „Straf-Schadensersatz“ anglo-amerikanischen Rechts handeln, weil die Pauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB auf Kostenerstattungsansprüche angerechnet wird und in diesen vollständig aufgehen kann. Sie verliert hierdurch jede strafende Wirkung, was sie von einem stets zusätzlich zum Schadensausgleich geschuldeten „Straf-Schadensersatz“ unterscheidet.
2. Ausgehend von der Anrechnungsregel in § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB und der verhaltenssteuernden Wirkung des Verzugspauschale weist diese zunächst gleich zwei wesentliche Eigenschaften einer Vertragsstrafe i.S.d. §§ 339 ff. BGB auf (vgl. § 340 Abs. 2 BGB). Darüber hinaus zeigt § 343 Abs. 1 Satz 2 BGB, das auch im Grundsatz nicht in Geld auszugleichende Interessen wie die Vermeidung eigener Mühewaltung gesichert werden können. Dass die Zahlung der Verzugspauschale nicht „vereinbart“ wird, schließt ihre Einordnung als Vertragsstrafe nicht aus, weil die §§ 339 ff. BGB auch auf bedingte Ansprüche Anwendung finden, welche einem Schuldverhältnis durch normativ wirkende Gestaltungsfaktoren (z.B. § 9 BefBedV) beigegeben werden. Im Hinblick auf die Wirkung der Verzugspauschale als nachweisunabhängiger Mindestersatz sowie ihre Eignung zur Verhaltenssteuerung weist diese außerdem aber auch zwei wesentliche Eigenschaften einer Schadenspauschale i.S.v. § 309 Nr. 5 BGB auf. Sieht man die Bedeutung von Schadenspauschalen nicht allein darin, in Geld ersatzfähige Interessen (im Mindestmaß oder abschließend) zu bewerten, sondern weitergehend auch darin, ggf. einer Geldentschädigung dem Grunde nach entgegenstehende Bewertungsschwierigkeiten (z.B. eigene Mühewaltung) auszuräumen, steht die im Grundsatz fehlende Ersatzfähigkeit der eigenen Mühewaltung der Einordnung als Schadenspauschale nicht entgegen.
3. Aus der Sicht des nationalen Rechts erscheint die Verzugspauschale mithin nicht als Fremdkörper. Anders als nach anderen Rechtsordnungen, welche eine solche Unterscheidung nicht kennen, ließe sich für das nationale Recht allenfalls dogmatisch darüber streiten, ob § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB als Vertragsstrafe oder als Schadenspauschale zu qualifizieren ist. Mangels Relevanz soll dies hier dahinstehen.
III. Darüber hinaus widmet sich das Gericht zu wenig den § 288 Abs. 5 BGB zugrunde liegenden Regelungen der Zahlungsverzugs-RL 2011/7/EU und gelangt in der Folge zu der unzutreffenden Annahme, § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB sei eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Es übersieht, dass Art. 6 Abs. 1 RL 2011/7/EU, welcher § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB trägt, einen Anspruch auf eine Pauschale i.H.v. 40 Euro vorgibt und nach Art. 6 Abs. 3 RL 2011/7/EU, welcher in den §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 5 Satz 3 BGB umgesetzt wird, überdies auch sicherzustellen ist, dass der Schuldner dem Gläubiger zusätzlich die angemessenen Kosten der Rechtsverfolgung erstattet, welche die Pauschale übersteigen. Dies erhellt deutlicher als der Wortlaut von § 288 Abs. 5 BGB, dass der Anspruch auf die Verzugspauschale (§ 288 Abs. 5 Satz 1 BGB) zur in § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB erwähnten Kostenerstattung interessenidentisch ist (a.A. Lembke, NZA 2016, 1501, 1504). Soweit Färber/Pipoh (DB 2017, 67, 68) dem entgegenhalten, dass Interessenidentität fehle, weil Art. 6 Abs. 1 RL 2011/7/EU (§ 288 Abs. 5 Satz 1 BGB) nur interne und Art. 6 Abs. 3 RL 2011/7/EU (§ 288 Abs. 5 Satz 3 BGB) die externen Rechtsverfolgungskosten betreffe, übersehen sie zweierlei:
1. Erstens trennt die Zahlungsverzugs-RL 2011/7/EU nicht in dem beschriebenen Sinne zwischen den beiden Interessen (a.A. Färber/Pipoh, DB 2017, 67, 68, 70; Lembke, NZA 2016, 1501, 1502), sondern bringt in den von Färber/Pipoh herangezogenen Erwägungsgründe nur zum Ausdruck, woran sich die Bemessung des Pauschalbetrags orientiert (üblicher interner Aufwand). Dass interner und externer Aufwand dasselbe Interesse betreffen, folgt zunächst aus Erwägungsgrund 19, wo beide Positionen als grundsätzlich gleichwertig zu den Beitreibungskosten zusammengefasst werden („enthalten“). Dementsprechend befasst sich Erwägungsgrund 21 mit der Erhöhung der Pauschale von „Beitreibungskosten“, ohne zwischen internen oder externen Kosten zu differenzieren. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Erwägungsgrund 19 die fehlende Interessenidentität der Verzugspauschale gegenüber Verzugszinsen herausstellt. Eine vergleichbare Aussage für das Verhältnis zu den externen Beitreibungskosten fehlt dagegen. Vielmehr ordnet Art. 6 Abs. 2 RL 2011/7/EU ohne jede Differenzierung ausdrücklich an, dass die Pauschale „als Entschädigung für die Beitreibungskosten“ geschuldet wird. Dies ist geboten, weil der Gläubiger durch eine bloße Organisationsentscheidung (Outsourcing) internen zu externem Aufwand machen kann. Gegen eine Interessentrennung spricht darüber hinaus die Wendung „übrige“ in Erwägungsgrund 20, welche bestätigt wird durch Art. 6 Abs. 3 RL 2011/7/EU, wo Satz 1 vorsieht, dass auch die die Pauschale „überschreitenden“ Beitreibungskosten zu ersetzen sind, und Satz 2 klarstellt, dass externe Beitreibungskosten ein Teil hiervon sind. Das heißt dann aber, dass auch insoweit eine Anrechnung erfolgt.
2. Zweitens erlangt der von Färber/Pipoh erhobene Einwand im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung, weil § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB jedenfalls den Ersatz von Rechtsverfolgungskosten regelt und § 12a ArbGG in seiner Erweiterung durch die h.A. gerade nicht zwischen internen und externen Kosten differenziert, soweit nur die in § 12a ArbGG erwähnten Kostenpositionen (insbesondere eigener Zeitverlust = interne Kosten) betroffen sind.
IV. Auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des BAG lässt sich die vom LArbG Köln vertretene Ansicht auch nicht durch den Hinweis auf die theoretisch einseitige Schutzrichtung von § 12a ArbGG rechtfertigen (a.A. Färber/Pipoh, DB 2017, 67, 69; Lembke, NZA 2016, 1501, 1505). Denn das BAG geht davon aus, dass § 12a ArbGG aus Gründen der Waffengleichheit auch zum Schutz von Arbeitgebern anzuwenden ist (vgl. bereits zu § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, BAG, Urt. v. 23.09.1960 – 5 AZR 258/59 – NJW 1961, 92, 93).
V. Nicht überzeugen kann schließlich das Argument, die Anrechnungsregelung (§ 288 Abs. 5 Satz 3 BGB) beziehe sich nicht auf prozessuale Kostenerstattungsansprüche, welche mit dem nach materiellem Recht zu leistenden Kostenersatz nichts zu tun hätten (a.A. Färber/Pipoh, DB 2017, 67, 69 f.; Lembke, NZA 2016, 1501, 1504). Das Gericht berücksichtigt dabei wiederum nicht ausreichend die Zahlungsverzugs-RL als Hintergrund der Regelung in § 288 Abs. 5 BGB. Nach Art. 6 Abs. 3 RL 2011/7/EU ist durch die Mitgliedstaaten der Ersatz von Rechtsverfolgungskosten sicherzustellen. Ob die Mitgliedstaaten dies durch prozessuale und/oder materiell-rechtliche Erstattungsansprüche gewährleisten, ist ihnen überlassen. Die Zahlungsverzugs-RL differenziert insoweit in Ansehung der Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen nicht. Ebenso wenig ist dann aber eine Differenzierung bei der Auslegung und Anwendung von § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB gerechtfertigt, soweit nur die von Art. 6 Abs. 3 RL 2011/7/EU angesprochenen Kosten betroffen sind.
VI. Abgesehen davon ist die Antwort auf die Frage, ob dem Arbeitnehmer bei verspäteter Zahlung des Arbeitsentgelts eine Pauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB zusteht, richtigerweise ohnehin nicht in der Anrechnungsregel (§ 288 Abs. 5 Satz 3 BGB), sondern in den aus § 12a ArbGG abzuleitenden Wertungen zu suchen (ausführlich Ulrici, jurisPR-ArbR 44/2016 Anm. 2, unter C. II., III.). Ausgehend von dem durch das Landesarbeitsgericht selbst benannten Widerspruch, dass einerseits § 12a ArbGG für ein gerichtlich geführtes Verfahren einen Kostenerstattungsanspruch praktisch ausschließt und andererseits für eine bereits im Vorfeld eines gerichtlich ausgetragenen Rechtsstreits erfolgte Beauftragung eines Rechtsanwalts Kostenerstattung zu leisten wäre, steht dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf die Verzugspauschale zu. Denn wenn ausgehend hiervon nach h.A. schon kein Ersatz für tatsächlich vorgerichtlich ausgelösten Aufwand bestehen soll, ist eine unabhängig von einem tatsächlich entstandenen Aufwand zu leistende Pauschale noch weniger gerechtfertigt (vgl. Ulrici, jurisPR-ArbR 44/2016 Anm. 2, unter C. III.).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung stärkt die h.A., nach welcher dem Arbeitnehmer im Zahlungsverzug des Arbeitgebers mit Entgeltforderungen ein Anspruch auf eine Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB zusteht. Arbeitnehmer werden hierdurch zusätzlich ermutigt, eine Verzugspauschale einzufordern. Ob die Geltendmachung einer Verzugspauschale im Rahmen von Klagen auf Arbeitsentgelt deshalb aber vergleichbar einem Zinsantrag (endgültig) zum Standard wird, wird letztlich davon abhängen, wie das BAG das Verhältnis von § 12a ArbGG zu § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB versteht. Im vorliegenden Verfahren hatte das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen, welche aber nicht eingelegt wurde. Dagegen wurde gegen die eingangs erwähnte Entscheidung des LArbG Stuttgart Revision eingelegt (Az. 7 AZR 796/16). Allerdings wird die zu klärende Rechtsfrage in jenem Verfahren wohl nicht entscheidungserheblich werden. Die schließt zwar eine Aussage obiter dictum nicht aus. Allerdings meiden Revisionsgerichte üblicherweise nicht erforderliche Festlegungen, um den zukünftigen Entscheidungsspielraum (für andere, insbesondere für Vergütungsfragen zuständige Senate) nicht unnötig vorab zu verengen. Abgesehen hiervon spricht gegen eine Aussage obiter dictum, dass, will man eine gespaltene Auslegung vermeiden, betreffend Grundfragen von § 288 Abs. 5 BGB eine Vorlage an den EuGH erforderlich werden könnte, ohne Entscheidungsrelevanz aber unzulässig ist.


Auf Hinweis des Kollegen

Rechtsanwalt Dr. Harald Schneider

Fachanwalt für Informationstechnologierecht

veröffentlichen wir gerne ein Update zu dem obigen Beitrag, siehe hier.