Nachfolgend ein Beitrag vom 28.2.2017 von Baumann, jurisPR-HaGesR 2/2017 Anm. 2

Leitsätze

1. Eine Satzungsbestimmung, nach der die Einziehung eines GmbH-Gesellschaftsanteils, der maßgeblich im Hinblick auf die partnerschaftliche Mitarbeit des Gesellschafters in der Gesellschaft (hier: einer Unternehmensberatungsgesellschaft) eingeräumt wurde, an die Beendigung der Mitarbeit geknüpft ist, ist grundsätzlich wirksam (vgl. BGH v. 19.09.2005 – II ZR 342/03).
2. Eine Satzungsbestimmung, wonach im Falle eines Streits über die Wirksamkeit der Kündigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft die wirksame Beendigung fingiert wird und eine Einziehung des Geschäftsanteils durch Gesellschaftsbeschluss deshalb gerechtfertigt ist, ist unwirksam. Die Möglichkeit willkürlicher Einziehung begründet die Sittenwidrigkeit der Klausel.
3. Ein Gesellschafter, dessen Anteil durch Gesellschaftsbeschluss eingezogen wurde, kann sich jedoch im Falle faktischer Beendigung der Partnerschaft nach Treu und Glauben dann nicht mehr auf eine ungeklärte Beendigung des Vertragsverhältnisses berufen, wenn nach den Umständen des Falles nicht mehr zu erwarten ist, dass der Gesellschafter die tatsächliche Mitarbeit als Partner wieder aufnimmt.

A. Problemstellung

Gesellschafter partnerschaftlich strukturierter Gesellschaften dürften in der Regel an Satzungsregelungen interessiert sein, die den Ausschluss von Mitgesellschaftern ermöglichen, die ihre Arbeitsleistungen für die Gesellschaft nicht mehr erbringen können oder wollen. Das OLG München hatte Gelegenheit, über die Satzungsklausel einer als GmbH organisierten Beratungsgesellschaft zu entscheiden, die die Einziehung von Geschäftsanteilen von „Partnern“ der Gesellschaft ermöglichte.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin war Minderheitsgesellschafterin der Beklagten und gleichzeitig bei deren Tochtergesellschaft aufgrund eines Arbeitsvertrags in Frankreich beschäftigt, der ihr innerhalb der Unternehmensgruppe der Beklagten den Status eines „Partners“ verlieh. Nachdem die Tochtergesellschaft im Februar 2014 ihren Arbeitsvertrag gekündigt hatte, wehrte sich die Klägerin vor dem französischen Arbeitsgericht, das ihr jedoch nur eine Entschädigung, aber keine Weiterbeschäftigung zusprach.
Die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschloss daraufhin im Oktober 2014 den Ausschluss der Klägerin im Wege der Einziehung ihrer Geschäftsanteile, ohne ihr eine Abfindung zu zahlen. Den Beschluss stützte die Gesellschafterversammlung auf eine Satzungsklausel, die die Einziehbarkeit von Geschäftsanteilen für den Fall regelte, dass der Anstellungsvertrag eines Mitgesellschafters und damit seine Stellung als „Partner“ endeten. Die Klausel enthielt ferner eine Bestimmung, die im entsprechenden Streitfall die Beendigung des die Partnerschaft begründenden Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der Einziehbarkeit der Geschäftsanteile fingieren sollte, solange über die Beendigung keine gegenteilige rechtskräftige Entscheidung ergangen war (sog. „Fiktionsklausel“).
Das OLG München hat entschieden, dass der Gesellschafterbeschluss über die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin wirksam war.
Es erklärte die Satzungsklausel der Beklagten zur Einziehbarkeit der Geschäftsanteile für zulässig, weil sie das Ende der Stellung der Gesellschafter von deren Status als „Partner“ der Unternehmensgruppe abhängig gemacht habe. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Partnern und ihre jeweilige Gesellschafterstellung waren nach dem Willen der Vertragsschließenden also miteinander verknüpft, was auch die Satzungsregelung unterstreiche, wonach „Partner“ der Beklagten grundsätzlich nur Gesellschafter sein sollten, allerdings nur mit sehr geringen Nennbeträgen. Die Beendigung der partnerschaftlichen Mitarbeit durch die Klägerin stelle folglich einen sachlichen Grund dar, der die Einziehung ihrer Geschäftsanteile gerechtfertigt habe.
Für sittenwidrig und nichtig gemäß § 138 BGB erachtete das Gericht dagegen die Fiktionsklausel in der Satzung, wonach im Streitfall über die Beendigung des die Partnerschaft begründenden Arbeitsverhältnisses dessen Beendigung für den Zweck der Einziehbarkeit der Geschäftsanteile fingiert wurde. Eine solche Bestimmung ermögliche der Mehrheit der Gesellschafter, Geschäftsanteile anderer Gesellschafter willkürlich einzuziehen und gewähre ihnen somit ein willkürliches Disziplinierungsmittel, das die höchstrichterliche Rechtsprechung missbillige. Die Gesellschaftermehrheit könne aus sachwidrigen Erwägungen heraus eine grob rechtswidrige Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen, damit die Stellung des Gesellschafters als Partner beenden und somit willkürlich die Gesellschaftsanteile einziehen.
Im Ergebnis hat das OLG München den Einziehungsbeschluss aber für wirksam erklärt, weil die „Vertragsschließenden“ durch den Versuch der Gestaltung der nichtigen Fiktionsklausel zumindest zum Ausdruck gebracht hätten, dass sie den durch einen Streit über die wirksame Beendigung des Partnerverhältnisses hervorgerufenen gesellschaftsrechtlichen Schwebezustand möglichst schnell beenden wollten. Die Klägerin konnte sich daher nach Treu und Glauben nicht auf die fehlende formelle bzw. gerichtliche Feststellung der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses berufen, weil nach dem Umständen des vorliegenden Falles nicht mehr mit ihrer Arbeitsaufnahme als „Partner“ bei der Beklagten zu rechnen bzw. ihr Partnerstatus faktisch beendet war. Seit ihrem faktischen Ausscheiden aus der Beklagten waren zwischenzeitlich mehr als 2 1/2 Jahre verstrichen, ferner war sie mittlerweile für ein anderes Consulting-Unternehmen tätig, und das französische Arbeitsgericht hatte ihren Weiterbeschäftigungsanspruch abgewiesen. Nach aller Lebenserfahrung war folglich nicht mehr damit zu rechnen, dass sie wieder für die Beklagte arbeiten würde, selbst wenn sich eventuell in den Berufungsinstanzen doch noch die Unwirksamkeit der Beendigung ihres Vertragsverhältnisses herausgestellt hätte.

C. Kontext der Entscheidung

Das Urteil des OLG München knüpft an die Rechtsprechung des BGH an, wonach Satzungsregelungen zum Ausschluss von Gesellschaftern zulässig sind, wenn sie die zwangsweise Rückübertragung von Geschäftsanteilen im Rahmen von sog. „Mitarbeitermodellen“ oder „Managermodellen“ ermöglichen (vgl. BGH, Urt. v. 19.09.2005 – II ZR 173/04; BGH, Urt. v. 19.09.2005 – II ZR 342/03). Der BGH hatte in beiden Urteilen Rückübertragungsverpflichtungen von Gesellschaftern in Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften und GmbH als zulässig angesehen, sofern die Gesellschafter ihre Gesellschafterstellung maßgeblich im Hinblick auf ihre partnerschaftliche Mitarbeit als Angestellte oder als Geschäftsführer der Gesellschaft erlangt hatten. Entsprechende Satzungsklauseln enthielten einen sachlichen Grund für die Ausschließungsmöglichkeit und seien daher nicht sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB.
Das OLG München hat in dem vorliegenden Urteil diese Grundsätze konsequenterweise auf Satzungsregelungen übertragen, die statt der Pflicht zur Abtretung an einen Mitgesellschafter die Einziehung des Geschäftsanteils des auszuschließenden Gesellschaft vorsehen. Zu Recht hat es des Weiteren entschieden, dass die Gesellschafter eine mit diesen Grundsätzen der BGH-Rechtsprechung zu vereinbarende Klausel zur Ausschließung nicht wirksam durch eine weitere Regelung ergänzen können, die ihnen im Ergebnis doch ein Mittel einräumt, Mitgesellschafter ohne einen sachlichen Grund auszuschließen. Vorliegend war das Fehlen eines solchen sachlichen Grunds evident, da die Gesellschaftermehrheit den Beschluss über die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin treffen konnte, ohne dass die für die Einziehung notwendige Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und der damit verbundene Verlust ihrer Stellung als „Partner“ vorher durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt war.
Das OLG München musste im vorliegenden Fall keine Stellung dazu nehmen, ob und inwieweit Satzungsregelungen die Zahlung einer Abfindung an den ausgeschlossenen Gesellschafters vollständig ausschließen oder wesentlich einschränken können. Nach Auffassung des BGH (Urt. v. 19.09.2005 – II ZR 173/04; Urt. v. 19.09.2005 – II ZR 342/03) sind solche Satzungsregelungen im Rahmen von Mitarbeiter- oder Managerbeteiligungen zulässig, wenn die Beteiligungen auf Zeit abgeschlossen wurden und die ausscheidenden Gesellschafter kein oder kein nennenswertes Kapital zur Erlangung ihrer Gesellschafterstellung eingesetzt haben. Dasselbe gilt, wenn die Gesellschafter in Verfolgung eines ideellen Zwecks mit der Gesellschaft von Anfang an auf die Vermehrung eigenen Vermögens verzichtet haben (BGH, Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 279/09) oder eine Satzungsklausel den Ausschluss der Abfindung für den Todesfall vorsieht (BGH, Urt. v. 20.12.1976 – II ZR 115/75; BGH, Urt. v. 14.07.1971 – III ZR 91/70; BGH, Urt. v. 22.11.1956 – II ZR 222/55). Greifen solche sachlichen Gründe für den Ausschluss oder die Beschränkung der Abfindung nicht, ist die entsprechende Regelung jedoch wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da das Recht des ausscheidenden Gesellschafters auf Abfindung zu seinen Grundmitgliedsrechten gehört (BGH, Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 279/09). Der Entzug der Gesellschafterstellung ohne Wertausgleich ist unzulässig, weil der ausgeschlossene Gesellschafter Vermögen und Arbeitskraft in die Gesellschaft eingebracht hat und der Ausschluss seine Existenz gefährden kann. Selbst eine grobe Verletzung der Interessen der Gesellschaft bzw. der Pflichten des Gesellschafters rechtfertigt nicht den Ausschluss seines Anspruchs, sondern allenfalls die Einziehung seiner Geschäftsanteile (so BGH, Urt. v. 29.04.2014 – II ZR 216/13).

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil des OLG München bietet hilfreiche Anhaltspunkte für die rechtssichere Ausgestaltung von Satzungsklauseln, die die Ausschließung von Gesellschaftern im Rahmen von Mitarbeiter- oder Managerbeteiligungen zum Gegenstand haben. Die Entscheidung veranschaulicht aber auch, dass es für das Ergebnis eines Gesellschafterstreits maßgeblich auf die konkreten Umstände des Einzelfalls und auf das Verhalten des durch einen Gesellschafterbeschluss benachteiligten Minderheitsgesellschafters ankommen kann. Die Klägerin hatte durch die zwischenzeitliche Aufnahme ihrer Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen zum Ausdruck gebracht, dass sie die partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Beklagten nicht mehr aufnehmen würde. Insofern hatte die Klägerin kein schutzwürdiges Eigeninteresse mehr an der Wiedererlangung ihrer Gesellschafterstellung, die gemäß der Satzung der Beklagten unmittelbar an ihre partnerschaftliche Mitarbeit geknüpft war.