Nachfolgend ein Beitrag vom 23.5.2018 von Mauer, jurisPR-ArbR 21/2018 Anm. 5

Orientierungssatz zur Anmerkung

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist bei einer außerordentlichen Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers nicht gegeben.

A. Problemstellung

Der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers kann materiell-rechtlich entweder als Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet sein. Kommt es zu einer Kündigung dieses Anstellungsverhältnisses und einer anschließenden Abberufung des Geschäftsführers, stellt sich insbesondere für den Geschäftsführer die wichtige Frage, vor welchem Gericht er gegen die Kündigung vorgehen kann oder muss. Grundsätzlich wird in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG eine Fiktionswirkung geregelt, die bei Streitigkeiten von Geschäftsführern die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit verneint. Häufig stellt sich aber die Frage, wie weit diese Fiktionswirkung reicht und ob eine Ausnahme hiervon eingreifen könnte. Mit einem solchen Fall hatte sich auch das LArbG Köln zu beschäftigen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger war seit Juni 2016 Geschäftsführer bei der Beklagten und als solcher auch im Handelsregister eingetragen. Die Parteien hatten die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Mitte August 2017 kündigte die Beklagte das Geschäftsführeranstellungsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Kläger wurde außerdem am 12.09.2017 als Geschäftsführer abberufen.
Gegen diese Kündigung reichte der Kläger Ende August 2017 Klage beim ArbG Köln ein. Einerseits begehrte er mit dieser Klage festzustellen, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag durch die Kündigung nicht beendet wurde, sondern fortbesteht; hierzu stellte er insgesamt vier Klageanträge, deren Wortlaut in dem Beschluss allerdings weder widergegeben, noch näher erläutert wird. Andererseits machte der Kläger diverse Leistungsansprüche für Lohn und Bonuszahlungen geltend sowie Nutzungsausfallentschädigung wegen Entzugs des Dienstwagens. Das ArbG Köln erklärte den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 3 GVG an das LG Köln. Gegen diese Beschluss legte der Kläger sofortige Beschwerde vor dem LArbG Köln ein.
Das LArbG Köln hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt und die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Wie das Arbeitsgericht zuvor, sah das Landesarbeitsgericht keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für den vorliegenden Streitfall gegeben, vielmehr sei das LG Köln zuständig. Ausgangspunkt für die Begründung der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte sei zwar zunächst § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG, wonach die Arbeitsgerichte bei Streitigkeiten über Fragen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis zuständig seien. Die nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestehende Fiktionswirkung für Organmitglieder mit Vertretungsbefugnis ginge jedoch zwingend vor, unabhängig davon, welches Rechtsverhältnis der Organanstellung zugrunde liege, also ob dieses als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet sei.
Hieran ändere sich auch nichts, weil der Kläger am 12.09.2017 als Geschäftsführer abberufen worden sei. Durch die Abberufung verändere sich nicht der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses, da es hierdurch gerade nicht automatisch zum Arbeitsverhältnis umgewandelt werden würde, sodass die Fiktionswirkung davon unberührt bliebe. Etwas anderes könne nur gelten, sofern neben dem Anstellungsverhältnis ein weiteres Rechtsverhältnis bestünde und der Kläger hieraus Ansprüche geltend mache, beispielsweise aus einem während der Zeit der Geschäftsführertätigkeit ruhenden Arbeitsverhältnis. Der Kläger sei allerdings nie als Arbeitnehmer für die Beklagte tätig gewesen, sodass diese Ausnahme nicht in Betracht komme.
Das Landesarbeitsgericht sah zudem nicht die Voraussetzungen für einen sog. „sic-non-Fall“ gegeben, da sich die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB richte und hierfür nicht entscheidend sei, ob ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis vorläge. Es fehle daher an doppelrelevanten Tatsachen, die sowohl für die Rechtswegzuständigkeit als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend seien. Dies gelte auch für die Zahlungsansprüche und den Schadensersatz, da auch diese Ansprüche nicht zwingend das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzten. Dass der Kläger sich bezüglich der ebenfalls angegriffenen ordentlichen Kündigung auf das Kündigungsschutzgesetz berufe, das zwar ein Arbeitsverhältnis voraussetze, mache den vorliegenden Rechtsstreit auch nicht zu einem sic-non-Fall. Denn zum einen sei davon nur ein Teil des Streitgegenstandes betroffen. Zum anderen könne eine ordentliche Kündigung auch aus anderen Gründen als der fehlenden sozialen Rechtfertigung i.S.d. § 1 Abs. 1 und 2 KSchG rechtunwirksam sein.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des LArbG Köln steht im Kontext einer Vielzahl von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen zu Fragen nach der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte im Zusammenhang mit Klagen von Geschäftsführern. Grundsätzlich spielt es keine Rolle, welche Rechtsnatur der Anstellungsvertrag aufweist, da Geschäftsführer nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer gelten und daher das Arbeitsgericht nicht zuständig sein kann. Aus dem Beschluss geht noch einmal klar hervor, wann diese Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG anzuwenden ist und in welchen Fällen eine Ausnahme eingreift. Das BAG hatte eine Ausnahme bereits in den Fällen angenommen, in denen die Parteien über Ansprüche aus einem Rechtsverhältnis streiten, das neben dem Anstellungsverhältnis besteht (vgl. BAG, Beschl. v. 15.11.2013 – 10 AZB 28/13) oder sofern ein abberufener Geschäftsführer einen neuen Arbeitsvertrag abschließt (vgl. BAG, Beschl. v. 29.05.2012 – 10 AZB 3/12). Auf die erstgenannte Entscheidung hat das LArbG Köln ausdrücklich Bezug genommen.
Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen von „sic-non-Fällen“ in diesem Zusammenhang verdeutlicht. Diese kommen nur in Betracht, wenn die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit entscheidungserheblich ist für die Begründetheit der Klage, sog. doppeltrelevante Tatsachen, da sie sowohl für die Rechtswegzuständigkeit wie auch für die Begründetheit erheblich sind. Dies ist gerade nicht gegeben, sofern die Prüfungsmaßstäbe nicht arbeitsgerichtsspeziell, sondern allgemein sind, wie bei § 626 BGB; sog. aut-aut-Fälle: Hierbei ist es erforderlich, dass der Kläger die Arbeitnehmereigenschaft zumindest schlüssig vorträgt. Allerdings reicht es für das Vorliegen eines sic-non-Falles – unabhängig von den geltend gemachten Unwirksamkeitsgründen – stets aus, wenn die klagende Partei die Feststellung des Bestehens oder Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses begehrt (BAG, Beschl. v. 17.01.2001 – 5 AZB 18/00 – NZA 2001, 341; Schlewing in: Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, § 2 Rn. 160). Insoweit kann daher die Begründung in Bezug auf die Unmaßgeblichkeit der Klageanträge, die sich auf das Kündigungsschutzgesetz stützen, nicht überzeugen. Von den insgesamt 11 Klageanträgen war also zumindest ein Antrag als sic-non-Fall einzustufen. Dieser Antrag wird nach der Logik der Sache allerdings ein Hilfsantrag gewesen sein, da er sich gegen die hilfsweise Kündigung zum nächstzulässigen Zeitpunkt richtete.
Es stellt sich allerdings die Frage, welche Bedeutung einem solchen Antrag in Bezug auf die Rechtswegzuständigkeit zukommt. Hierzu hatte das BVerfG bereits darauf hingewiesen, dass die Gefahr einer Manipulation des gesetzlichen Richters dann nicht ausgeschlossen werden kann, wenn der Kläger als Hauptklage eine Klage erhoben hat, bei der bereits die Rechtsbehauptung der Arbeitnehmereigenschaft zur Begründung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit ausreicht, weil es sich insoweit um eine doppeltrelevante Tatsache handelt (BVerfG, Beschl. v. 31.08.1999 – 1 BvR 1389/97). Dem folgend, hat das BAG mit Beschluss vom 11.06.2003 (5 AZB 43/02) entschieden, dass § 2 Abs. 3 ArbGG keine Anwendung findet, wenn die Zuständigkeit für die Zusammenhangsklage allein aus der Verbindung mit einem sic-non-Antrag folgen kann. Denn ansonsten könnte die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte stets mit einem Feststellungsantrag, dass es sich bei dem gekündigten Anstellungsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelt, herbeigeführt werden. Dadurch aber würde der beklagten Partei das eigentlich zuständige Zivilgericht – und damit der gesetzliche Richter i.S.d. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG – ohne Widerstand entzogen (Schlewing in: Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, § 2 Rn. 117).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Beschluss des LArbG Köln bestätigt die bisherige Rechtsprechung. Die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit abzulehnen ist vorliegend das Resultat einer konsequenten Anwendung der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Da der Kläger weder vor noch nach seiner geschäftsführenden Tätigkeit als Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt wurde, ist auch kein Raum für eine Ausnahme der Fiktionswirkung. In solchen Fällen spielt es daher keine Rolle, welche Rechtsnatur das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers hatte. Der Kläger macht zudem ausschließlich Ansprüche geltend, die aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer resultieren. Genau in solchen Konstellation ist es aber gerade Sinn und Zweck von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG zu vermeiden, dass Rechtsstreitigkeiten, die allein das Arbeitgeberlager betreffen, vor dem Arbeitsgericht geführt werden.
Zu beachten ist allerdings, dass die Fiktionswirkung mit der Abberufung des Geschäftsführers endet und zwar auch dann, wenn die Abberufung erst nach Eingang der Klage erfolgt ist (vgl. BAG, Beschl. v. 08.09.2015 – 9 AZB 21/15). Liegt dann ein sic-non-Fall vor, ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte eröffnet. Bei den aut-aut-Fällen und den et-et-Fällen muss hingegen ein schlüssiger Sachvortrag hinzutreten, der die Arbeitnehmerstellung nach dem klägerischen Vortrag begründet.

Keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bei der Kündigung von Geschäftsführeranstellungsverträgen aus wichtigem Grund
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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