Nachfolgend ein Beitrag vom 17.6.2016 von Wahlers, jurisPR-ITR 12/2016 Anm. 5

Leitsätze

1. Ist eine Stelle zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nach § 4f Abs. 1 BDSG verpflichtet, genießt ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 BDSG nach denselben Grundsätzen wie ein Ersatzmitglied des Betriebsrats.
2. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte unterfällt für die Dauer der Vertretung dem Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG. Unabhängig von der Frage, ob eine Verpflichtung besteht, einen stellvertretenden Datenschutzbeauftragten zu bestellen, handelt es sich während des Vertretungsfalles jedenfalls nicht um einen freiwillig bestellten Datenschutzbeauftragten, für den der Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG nicht gilt.
3. Der nachwirkende Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG greift nur ein, wenn nicht nur der Vertretungsfall eingetreten ist, sondern der stellvertretende Datenschutzbeauftragte auch tatsächlich Aufgaben als Datenschutzbeauftragter wahrgenommen hat.

A. Problemstellung

Der Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte wirft weiterhin relevante Fragen auf, die von der Rechtsprechung noch nicht entschieden wurden. Grundsätzlich gilt nach § 4f Abs. 3 BDSG, dass der Datenschutzbeauftragte eines Unternehmens, der nicht freiwillig bestellt wird, während der Zeit, in der er diese Tätigkeit ausübt sowie nach Beendigung der Bestellung über einen Zeitraum von einem Jahr, nicht ordentlich gekündigt werden kann. Eine aktuelle Entscheidung des ArbG Hamburg behandelt eine bislang noch nicht entschiedene Konstellation. Das Arbeitsgericht hatte über die Wirksamkeit einer Kündigung zu entscheiden, die einen freiwillig bestellten, stellvertretenden Datenschutzbeauftragten, der die Aufgaben des Beauftragten für Datenschutz tatsächlich über einige Monate hinweg wahrnahm, betraf. Diese Frage wurde vom ArbG Hamburg vor dem Hintergrund, dass der Kläger tatsächlich die Aufgaben des Beauftragten für Datenschutz wahrnahm, bejaht.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien stritten vor dem ArbG Hamburg über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten. Der Kläger war seit dem 01.04.2014 bei der Beklagten als Referent Risikomanagement beschäftigt. Die Beklagte sprach eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Sie argumentierte, die Aufgaben des Mitarbeiters seien auf den Vorstand übertragen worden. Die Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger seien daher entfallen.
Der Kläger berief sich allerdings auf den besonderen Kündigungsschutz des § 4f Abs. 3 BDSG. Die eigentlich als Datenschutzbeauftragte bestellte Mitarbeiterin der Beklagten war krankheitsbedingt für eine längere Zeit ausgefallen. Die Beklagte trat daraufhin im Juli 2014 an den Kläger heran und fragte, ob er bereit sei, aufgrund des langfristigen Ausfalls der Datenschutzbeauftragten deren Position auszufüllen. Der Kläger stimmte zu und wurde für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem 01.08.2014 zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten ernannt. Während der krankheitsbedingten Abwesenheit der Beauftragten für den Datenschutz nahm der Kläger ihre Aufgaben war. Knapp acht Monate nach Beendigung der Bestellung kündigte die Beklagte dem Kläger ordentlich betriebsbedingt.
Das ArbG Hamburg entschied, dass die Kündigung aufgrund des in § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG geregelten nachwirkenden Kündigungsschutzes unwirksam ist.
Zwar gelte diese Vorschrift grundsätzlich nicht für freiwillig bestellte Datenschutzbeauftragte – die Bestellung eines Stellvertreters ist nie verpflichtend – allerdings komme es darauf an, ob der freiwillig bestellte, stellvertretende Datenschutzbeauftragte die Aufgaben des Beauftragten für den Datenschutz tatsächlich wahrgenommen hat oder nicht. In dem zu entscheidenden Fall habe der Kläger über einen Zeitraum von sechs Monaten hinweg tatsächlich die Aufgaben wahrgenommen und war daher als Datenschutzbeauftragter tätig. Dies alleine rechtfertigt nach Auffassung des Arbeitsgerichts den nachwirkenden Kündigungsschutz.
§ 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG sehe vor, dass der Datenschutzbeauftragte, der nach § 4f Abs. 1 BDSG zu bestellen ist, während seiner „Amtszeit“ nicht im Wege einer ordentlichen Kündigung entlassen werden könne. Dieser vorübergehende Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts gelte nach § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG auch für den Zeitraum von einem Jahr nach Beendigung der Bestellung zum Beauftragten für Datenschutz. Möglich sei während der gesamten Zeit lediglich eine Kündigung aus wichtigem Grund, also eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist. Dieser Schutz gelte allerdings nach dem Wortlaut des § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG nur für solche Datenschutzbeauftragte, deren Bestellung nicht freiwillig erfolgt.
Das ArbG Hamburg stellt in seiner Entscheidung fest, dass die Beklagte als nach § 4f Abs. 1 BDSG verpflichtete Stelle befugt ist, einen Stellvertreter zu bestellen. Dies sähe das BDSG zwar nicht vor, schließe es allerdings auch nicht aus. Trotz fehlender gesetzlicher Regelung bestehe das Bedürfnis, eine kontrollfreie Situation zu vermeiden, wenn der tatsächlich Beauftragte für den Datenschutz an einer Amtsausübung gehindert ist.
Im Weiteren stellt das Arbeitsgericht klar, dass es für das Eingreifen des Kündigungsschutzes nach § 4f Abs. 3 BDSG nicht auf die Pflicht zur Bestellung eines Stellvertreters ankommt. Werde ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter bestellt und nehme dieser im Verhinderungsfall die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten i.S.d. § 4f Abs. 1 BDSG wahr, bedeute dies, dass ebenfalls der Schutz nach § 4f Abs. 3 BDSG einschlägig sei. Aufgrund der Verpflichtung der Beklagten, einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen, sei dessen Rechtsstellung auf den Stellvertreter zu übertragen, soweit der Vertretungsfall eintrete. Der Umstand, dass der Stellvertreter freiwillig bestellt wurde und grundsätzlich kein Kündigungsschutz bestehe, ändere daran nichts. Im Vertretungsfall sei der freiwillig bestellte Stellvertreter gleich zu behandeln und bedürfe ebenso wie der „eigentliche“ Datenschutzbeauftragte eines Schutzes vor etwaigen Nachteilen aufgrund seiner Amtsführung.
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts sind die für Ersatzmitglieder des Betriebsrats entwickelten Grundsätze zum Sonderkündigungsschutz anwendbar. Der Gesetzgeber sei in der Gesetzesbegründung von einer derartigen Anlehnung ausgegangen. Der nachwirkende Kündigungsschutz aus § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG, der vorliegend maßgeblich ist, greife hingegen nicht bereits im Vertretungsfall als solchem, sondern erst dann, wenn auch tatsächlich die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten wahrgenommen wurden. Ebenso wie bei einem Ersatzmitglied des Betriebsrats reiche es nicht aus, dass ein bloßer Vertretungsfall eingetreten ist, um einen nachwirkenden Kündigungsschutz zu erlangen. Vielmehr müsse das Ersatzmitglied auch konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen haben. Entsprechendes gelte auch für den Beauftragten für Datenschutz. Diese vorgesehene „Abkühlungsphase“ müsse auch den Stellvertreter schützen, sofern dieser tatsächlich Aufgaben als Datenschutzbeauftragter wahrgenommen hat und daher potentiell negative Reaktionen des Arbeitgebers in Betracht kommen.
Folglich war es der Beklagten aufgrund des nachwirkenden Kündigungsschutzes des § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG nach Ansicht des ArbG Hamburg verwehrt, zu dem gewählten Zeitpunkt eine ordentliche Kündigung auszusprechen. Die Kündigungsmöglichkeit war gemäß § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG eingeschränkt, da nicht nur der Vertretungsfall eingetreten sei, sondern der Kläger zudem auch tatsächlich die Aufgaben der Datenschutzbeauftragten wahrgenommen hat. Da die Beklagte innerhalb eines Jahres nach Amtsbeendigung eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat und diese nicht auf einen wichtigen Grund zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist stützen kann, sei diese nach § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG i.V.m. § 134 BGB nichtig.

C. Kontext der Entscheidung

Die Frage des Sonderkündigungsschutzes des Stellvertreters des Datenschutzbeauftragten ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Die vom ArbG Hamburg vertretene Auffassung überzeugt, soweit sie sich auf den nachwirkenden Kündigungsschutz bezieht. Im Hinblick auf den nachwirkenden Kündigungsschutz ist eine Gleichstellung des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten mit Ersatzmitgliedern durchaus gerechtfertigt. Beide Personengruppen müssen davor geschützt werden, dass der Arbeitgeber nach dem Ende des Amtes aufgrund potentiell nicht genehmer Amtshandlungen das Arbeitsverhältnis beenden kann. Die vom BAG entwickelten, mitunter komplexen Grundsätze zum nachwirkenden Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder können daher auch auf den Fall des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten übertragen werden. Wichtig ist dabei, dass es keiner Abkühlungsphase und damit auch keines nachwirkenden Kündigungsschutzes bedarf, sofern der Stellvertreter tatsächlich keine Aktivitäten für den verhinderten Datenschutzbeauftragten entfaltet hat (so auch die Rechtsprechung zum Fall des Ersatzmitglieds, vgl. BAG, Urt. v. 12.02.2004 – 2 AZR 163/03). Auf der anderen Seite müssen auch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Schutze des Arbeitgebers vor Missbrauch der Regelungen zum nachwirkenden Sonderkündigungsschutz Anwendung finden. Der nachwirkende Kündigungsschutz muss wie im Fall des Ersatzmitglieds ausgeschlossen sein, wenn der Vertretungsfall durch kollusive Absprachen zum Schein herbeigeführt wird (vgl. auch BAG, Urt. v. 12.02.2004 – 2 AZR 163/03). Durch eine vorgeschobene Verhinderung des eigentlichen Datenschutzbeauftragten kann dem Stellvertreter kein einjähriger nachwirkender Kündigungsschutz zukommen.
Höchst fraglich ist jedoch, ob die Regelungen zum unmittelbaren Kündigungsschutz der Ersatzmitglieder während des Vertretungsfalls auch uneingeschränkt gelten können. Dieser Bereich wird vom Arbeitsgericht nur gestreift. Für Ersatzmitglieder gelten strenge Grundsätze, die zu einem sofortigen Kündigungsschutz im Vertretungsfall führen und im Falle des Stellvertreters des Datenschutzbeauftragten weder praktikabel noch angemessen sind. Das Ersatzmitglied erwirbt den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG automatisch für die Dauer der Verhinderung des Betriebsratsmitglieds. Der Schutz hängt nicht davon ab, dass das Ersatzmitglied während der Vertretungszeit tatsächlich Betriebsratsaufgaben erledigt. Er setzt nach der Rechtsprechung des BAG daher auch im Urlaubsfall regelmäßig mit dem üblichen Arbeitsbeginn am ersten Urlaubstag des verhinderten Betriebsratsmitglieds ein (BAG, Urt. v. 08.09.2011 – 2 AZR 388/10). Gleiches gilt im Falle der Krankheit.
Eine Übertragung dieser Grundsätze auf den Stellvertreter des Datenschutzbeauftragten ist abzulehnen. Die strenge Rechtsprechung zugunsten von Ersatzmitgliedern ist der Regelung des § 25 BetrVG geschuldet, die ein automatisches temporäres Nachrücken des Ersatzmitglieds im Verhinderungsfall anordnet. Eine entsprechende Regelung zum Stellvertreter des Datenschutzbeauftragten findet sich demgegenüber im BDSG nicht. Auch der Schutzzweck der vom BAG entwickelten Grundsätze für den unmittelbaren Sonderkündigungsschutz kann nicht auf den Fall des Datenschutzbeauftragten übertragen werden. Das Nachrücken des Ersatzmitglieds während der zeitweiligen Verhinderung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds soll nach der Rechtsprechung des BAG im Interesse einer möglichst wirksamen Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse eine stets vollzählige und dem Wählerwillen entsprechende Besetzung des Betriebsrats sicherstellen. Es soll nicht nur die Möglichkeit einer wirksamen Beschlussfassung nach § 33 Abs. 2 BetrVG gewährleisten, vielmehr sollen selbst kurze Unterbesetzungen vermieden werden (BAG, Urt. v. 06.09.1979 – 2 AZR 548/77). Die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung eines Ersatzmitglieds ohne das Erfordernis einer Zustimmung des Betriebsrats während eines andauernden Vertretungsfalls würde nach Auffassung des BAG die kollektiven Interessen des Betriebsrats und der Belegschaft beeinträchtigen. Ihnen trägt nach ständiger Rechtsprechung das Zustimmungserfordernis in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1 BetrVG Rechnung. Die erwähnten kollektiven Interessen verlangen nach einem nahtlosen Eintritt des Sonderkündigungsschutzes für das zeitweise nachgerückte Ersatzmitglied. Setzte der volle Sonderkündigungsschutz erst bei Verrichtung konkreter Betriebsratstätigkeit ein, bestünde nach Ansicht des BAG die Gefahr, dass die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigt wird, z.B. wenn außer dem nachgerückten kein weiteres Ersatzmitglied zur Verfügung steht (BAG, Urt. v. 08.09.2011 – 2 AZR 388/10). Diese kollektivarbeitsrechtlichen Erwägungen finden im Fall des Datenschutzbeauftragten ersichtlich keine Anwendung. Im Falle der urlaubs- oder krankheitsbedingten Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten drohen keine mit den dargestellten kollektivarbeitsrechtlichen Risiken vergleichbaren Nachteile für das Amt des Datenschutzbeauftragten oder die Belegschaft als Ganzes. Es ist somit angemessen, dass im Falle des Stellvertreters des Datenschutzbeauftragten ein Vertretungsfall und somit ein Sonderkündigungsschutz nur dann entsteht, wenn der Stellvertreter tatsächlich als Datenschutzbeauftragter Tätigkeiten entfaltet hat. Hier ist eine weitere Konkretisierung der Rechtsprechung wünschenswert.

D. Auswirkungen für die Praxis

Angesichts der dargestellten kündigungsschutzrechtlichen Auswirkungen eines mitunter nur kurzen Einsatzes des Stellvertreters sollten Unternehmen genau prüfen, ob der zeitweise Ausfall des eigentlichen Datenschutzbeauftragten das „Nachrücken“ des Stellvertreters tatsächlich erfordert. Mitunter kann ein nur kurzer Einsatz zu einem nachwirkenden Kündigungsschutz von einem Jahr führen. Im Falle eines längerfristigen Ausfalls ergibt es mitunter Sinn, zeitweise auf einen externen Datenschutzbeauftragten zurückzugreifen. Sofern der eigentliche Datenschutzbeauftragte tatsächlich für lange Zeit ausfällt, wird ein Unternehmen nicht umhinkommen, eine Übergangslösung zu finden. Zwar enthält das BDSG zur Bestellung eines Stellvertreters keine Vorgaben, allerdings sollte es nicht zu einer kontrollfreien Zeit kommen.
Dies gilt umso mehr, als im Jahre 2018 die vor kurzem verabschiedete europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft treten wird. Diese enthält eine massive Steigerung der Haftungsrisiken für Datenschutzbeauftragte. Unter der Geltung des BDSG wurde bisher stets eine Haftung abgelehnt. Der Datenschutzbeauftragte war bisher nur dazu verpflichtet, auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften hinzuwirken. Dies wird sich alsbald ändern. Der künftige Aufgabenkreis des Datenschutzbeauftragten wird deutlich weiter definiert. Dem Beauftragten obliegt künftig die Überwachung der Einhaltung der Regelungen der europäischen Datenschutzgrundverordnung und sonstigen Datenschutzregelungen. In der arbeitsrechtlichen Literatur wird vermutet, dass der Beauftragte für den Datenschutz künftig als Überwachergarant eingeordnet wird und dadurch erheblich an Bedeutung und an Haftungsrisiken gewinnt. Gerade vor diesem Hintergrund werden Unternehmen nicht umhinkommen, im Falle eines längeren Ausfalls des Datenschutzbeauftragten eine Lösung zu finden.