Nachfolgend ein Beitrag vom 19.09.2016 von Geserich, jurisPR-SteuerR 38/2016 Anm. 3

Leitsätze

1. Zum Arbeitslohn gehören auch irrtümliche Überweisungen des Arbeitgebers. Die Rückzahlung von Arbeitslohn ist erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Abflusses einkünftemindernd zu berücksichtigen (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. Auch bei beherrschenden Gesellschaftern ist der Abfluss einer Arbeitslohnrückzahlung erst im Zeitpunkt der Leistung und nicht bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Rückforderung anzunehmen.

A. Problemstellung

Streitig ist, in welchem Veranlagungszeitraum die Rückzahlung von Arbeitslohn durch den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer steuerlich zu berücksichtigen ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2008 bis 2010 als Geschäftsführer einer GmbH, deren Alleingesellschafter er war, Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Eine bei der GmbH im Jahr 2011 durchgeführte Außenprüfung ergab, dass die GmbH die dem Kläger zustehenden Tantiemen und Urlaubsgeldansprüche in den Streitjahren irrtümlich abweichend vom Arbeitsvertrag berechnet und ausbezahlt hatte. Die GmbH forderte die überzahlten Beträge daraufhin vom Kläger zurück. Der Prüfer aktivierte in seinen Prüferbilanzen für die Streitjahre entsprechende Forderungen der GmbH gegen den Kläger. Im Anschluss an die bei der GmbH durchgeführte Außenprüfung änderte das Finanzamt die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und erhöhte dessen Arbeitslohn aus hier nicht im Streit stehenden Gründen um Sachbezüge aus einer PKW-Überlassung.
Der Kläger legte gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein. Er brachte u.a. vor, dass seine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit um die zu viel gezahlten Tantiemen und Urlaubsgelder zu kürzen seien. Das Finanzgericht wies die Klage nach erfolglosem Vorverfahren ab (FG Hannover, Urt. v. 19.02.2014 – 9 K 217/12 – EFG 2014, 903).
Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Das Finanzgericht habe zu Recht die an den Kläger in den Streitjahren überzahlten Tantiemen und Urlaubsgelder als Arbeitslohn und nicht als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) beurteilt. Es habe ferner zutreffend entschieden, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit in den Streitjahren nicht um die zu viel gezahlten Tantiemen und Urlaubsgelder zu kürzen seien.

C. Kontext der Entscheidung

I. Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht oder ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (st. Rspr., BFH, Urt. v. 07.05.2014 – VI R 73/12 – BStBl II 2014, 904, Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 34/2014 Anm. 2; BFH, Urt. v. 19.11.2015 – VI R 74/14 – BStBl II 2016, 303, Anm. Geserich, jurisPR-SteuerR 13/2016 Anm. 3).
II. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt demgegenüber vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (z.B. BFH, Urt. v. 21.10.2014 – VIII R 21/12 – BStBl II 2015, 638, Anm. Brandt, jurisPR-SteuerR 22/2015 Anm. 4). Das ist in der Regel der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (z.B. BFH, Urt. v. 19.06.2007 – VIII R 54/05 – BStBl II 2007, 830, Anm. Lieber, jurisPR-SteuerR 44/2007 Anm. 3; BFH, Urt. v. 09.03.2010 – VIII R 32/07 – BFHE 229, 129 = BFH/NV 2010, 1330, Anm. Steinhauff, jurisPR-SteuerR 30/2010 Anm. 1; BFH, Urt. v. 27.03.2012 – VIII R 27/09 – BFH/NV 2012, 1127).
III. Die im Streitfall von der GmbH an den Kläger versehentlich überhöht ausgezahlten Tantiemen und Urlaubsgelder sind nach diesen Maßstäben Lohnzahlungen, aber keine vGA. Denn die GmbH als Arbeitgeberin des Klägers erbrachte diese Leistungen, um ihrer vermeintlichen arbeitsvertraglichen Verpflichtung zu genügen. Die überhöhten Zahlungen an den Kläger gründeten dagegen nicht im Gesellschaftsverhältnis. Unerheblich ist insoweit, dass die GmbH die Beträge unrichtig ermittelte und dementsprechend überhöhte Tantieme- und Urlaubsgeldzahlungen leistete. Denn zum Arbeitslohn gehören auch versehentliche Überweisungen des Arbeitgebers, die er zurückfordern kann (BFH, Urt. v. 22.05.2002 – VIII R 74/99 – BFH/NV 2002, 1430; BFH, Urt. v. 04.05.2006 – VI R 17/03 – BStBl II 2006, 830, m.w.N.).
IV. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Ausgaben in dem Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Das in § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG normierte Abflussprinzip gilt auch für zurückgezahlten Arbeitslohn (BFH, Urt. v. 04.05.2006 – VI R 17/03). Folglich sind die von der GmbH zurückgeforderten Tantiemen und Urlaubsgelder in den Streitjahren nicht einkünftemindernd als negativer Arbeitslohn oder als Werbungskosten zu berücksichtigen. Denn die zurückgeforderten Bezüge sind beim Kläger in den Streitjahren nicht abgeflossen. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO) war der GmbH und dem Kläger in den Streitjahren noch nicht bekannt, dass die Tantieme- und Urlaubsgeldzahlungen an den Kläger irrtümlich abweichend vom Arbeitsvertrag berechnet und ausbezahlt worden waren. Erst im Rahmen der im Jahr 2011 durchgeführten Außenprüfung wurde die irrtümlich falsche Berechnung der Tantieme- und Urlaubsgeldzahlungen aufgedeckt. Die GmbH forderte die überzahlten Beträge folglich erst im Jahr 2011 vom Kläger zurück. Auch der Umstand, dass der Prüfer in seinen Prüferbilanzen für die Streitjahre entsprechende Forderungen der GmbH gegen den Kläger aktivierte, führte in den Streitjahren noch nicht zum Abfluss der von der GmbH erst im Jahr 2011 zurückgeforderten Beträge. Denn die Buchungen erfolgten ebenfalls erst nach Ablauf der Streitjahre im Jahr 2011. Eine für abgelaufene Jahre (rückwirkend) vorgenommene Buchung kann den tatsächlichen Abfluss in den Vorjahren jedoch nicht herbeiführen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Besprechungsentscheidung macht deutlich, dass sich bei einem beherrschenden Gesellschafter einer GmbH in Bezug auf den Abfluss – anders als beim Zufluss – eines Vermögensvorteils keine Besonderheiten gelten.
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei beherrschenden Gesellschaftern der Zufluss eines Vermögensvorteils zwar nicht erst im Zeitpunkt der Zahlung oder der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen, sofern der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet. Denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen (BFH, Urt. v. 19.07.1994 – VIII R 58/92 – BStBl II 1995, 362; BFH, Urt. v. 03.02.2011 – VI R 4/10 – BStBl II 2014, 493, Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 19/2011 Anm. 5; BFH, Urt. v. 03.02.2011 – VI R 66/09 – BStBl II 2014, 491, Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 23/2011 Anm. 3; BFH, Beschl. v.09.06.1997 – GrS 1/94 – BStBl II 1998, 307, unter C.II.1.a).
Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht für den umgekehrten Fall, dass eine Gesellschaft einen Anspruch gegen einen beherrschenden Gesellschafter hat. Denn in einem solchen Fall liegt gerade keine die Zuflussfiktion rechtfertigende „Beherrschungssituation“ vor. Der beherrschende Gesellschafter beherrscht die Gesellschaft, die beherrschte Gesellschaft aber nicht den beherrschenden Gesellschafter. Die beherrschte Gesellschaft hat es insbesondere regelmäßig nicht in der Hand, sich Beträge, die ihr der beherrschende Gesellschafter schuldet, auszahlen zu lassen. Dementsprechend kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass der beherrschten Gesellschaft, hier der GmbH, Forderungen gegen den beherrschenden Gesellschafter auf Rückzahlung überzahlten Arbeitslohns bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit zugeflossen sind. Auch bei einem beherrschenden Gesellschafter ist der Abfluss einer Arbeitslohnrückzahlung folglich erst im Zeitpunkt der Leistung und nicht bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 lit. a FGO muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert, dass die erhobene Rüge eindeutig erkennen lassen muss, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält. Ferner muss der Revisionskläger die Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des § 120 Abs. 3 Nr. 2 lit. a FGO, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen (BFH, Beschl. v. 30.04.2002 – VII R 109/00 – BFH/NV 2002, 1185; BFH, Beschl. v. 31.10.2002 – VII R 4/02 – BFH/NV 2003, 328, 329). Demgemäß muss sich der Revisionskläger mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinandersetzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (z.B. BFH, Beschl. v. 16.10.1998 – III R 7/98 – BFH/NV 1999, 501, 502; BFH, Beschl. v. 20.04.2010 – VI R 44/09 – BStBl II 2010, 691; BFH, Urt. v. 16.03.2000 – III R 21/99 – BStBl II 2000, 700, 702). Diesen Anforderungen genügt eine Revisionsbegründung auch dann, wenn der Revisionskläger die seiner Ansicht nach verletzte Rechtsnorm nicht ausdrücklich bezeichnet hat, aber aufgrund seiner materiell-rechtlichen Einwendungen gegen das FG-Urteil erkennbar ist, welche Rechtsnorm er für verletzt hält (BFH, Urt. v. 18.12.1970 – III R 32/70 – BStBl II 1971, 329; BFH, Urt. v. 25.06.2003 – X R 66/00 – BFH/NV 2004, 19; BFH, Urt. v. 28.11.2007 – X R 24/06 – BFH/NV 2008, 774).