Nachfolgend ein Beitrag von von Roetteken, jurisPR-ArbR 36/2015 Anm. 6 vom 9.9.2015

Leitsatz

Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass die Beauftragte für Chancengleichheit nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 PersVG BW nicht zum örtlichen Personalrat gewählt werden kann.

A. Problemstellung

Der Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen beim VGH Mannheim hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die Wählbarkeit einer Beauftragten für Chancengleichheit für den Personalrat derjenigen Dienststelle, für deren Bereich sie als Beauftragte bestellt war, nach der Neuregelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LPVG BW entfallen ist. Das auf den Fortbestand der Wählbarkeit gerichtete Begehren hatte vor dem VG Sigmaringen keinen Erfolg (Beschl. v. 16.04.2014 – 11 K 473/14). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom VGH Mannheim zurückgewiesen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der VGH Mannheim ist für die Ausgestaltung des Landespersonalvertretungsrechts mangels insoweit einschlägiger weiterer Vorgaben des GG oder der Landesverfassung BW von einem Spielraum ausgegangen. Er sieht die Beauftragte für Chancengleichheit als Beraterin der Dienststellenleitung. Aus der direkten Zuordnung zur Dienststellenleitung und ihrer Unterstützungspflicht im gesetzlich vorgesehenen Rahmen ergibt sich eine andere Rechtsstellung der Beauftragten für Chancengleichheit in Abgrenzung zum Personalrat. Diese besondere Rechtsstellung prägt die Wahrnehmung der Aufgaben und Rechte der Beauftragten für Chancengleichheit. Demgegenüber ist der Personalrat nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs der Interessenvertreter der Beschäftigten und hat schon deshalb mitunter einen anderen Blick auf die jeweils zu entscheidenden Probleme. Der Verwaltungsgerichtshof hält es für gerechtfertigt, zur Vermeidung von Interessen- und Pflichtenkollisionen den Beauftragten für Chancengleichheit das passive Wahlrecht für den Personalrat ihrer Dienststelle vorzuenthalten. Er hält es insoweit zwar für vertretbar, der Beauftragten ein passives Wahlrecht zuzugestehen. Daraus leite sich jedoch nicht ab, eine entsprechende Wahlrechtsgestaltung sei verfassungsrechtlich geboten.
Der Verwaltungsgerichtshof verneint insoweit auch einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, davon ausgehend, dass ausnahmsweise nach § 17 Abs. 4 Satz 2 ChancenG BW auch ein Mann zum Beauftragten für Chancengleichheit bestellt werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof prüft deshalb nur noch die Voraussetzungen einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts und hält die Ungleichbehandlung für gerechtfertigt, weil die Regelung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung entsprechend Art. 3 Abs. 2 GG diene, da die Beauftrage für Chancengleichheit insoweit als Teil der Verwaltung agiere. Einen eventuellen Vertrauensschutz für die vor der Gesetzesänderung bereits in den Personalrat gewählte Beauftragte für Chancengleichheit verneint der Verwaltungsgerichtshof.
C. Kontext der Entscheidung
Zum Ausschluss des passiven Wahlrechts von Beauftragten für Chancengleichheit, Gleichstellungs- oder Frauenbeauftragten für eine Personalvertretung oder eine Schwerbehindertenvertretung sind sonstige Gerichtsentscheidungen bisher noch nicht ergangen. Eine dem Landesrecht vergleichbare Regelung traf bis zum 30.04.2015 § 16 Abs. 5 BGleiG a.F. Eine entsprechende Regelung ist seit dem 01.05.2015 in § 20 Abs. 1 Satz 2 BGleiG n.F. enthalten, ebenso in § 16 Abs. 5 SGleiG. Das Landesrecht verfährt insoweit unterschiedlich.
Bezogen auf den Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG erweist sich besondere Behandlung von Beauftragten für Chancengleichheit etc. als eine sachlich vertretbare, von vernünftigen Überlegungen getragene und jedenfalls nicht willkürliche Ungleichbehandlung (von Roetteken, ZfPR 2005, 48, 54; PersR 2002, 506, 508). Der VGH Mannheim verweist insoweit zu Recht darauf, dass eine Interessen- und Pflichtenkollision nicht ausgeschlossen ist, wie sie sich z.B. aus der grundsätzlich vor dem Personalrat erfolgenden Unterrichtung und Anhörung der Beauftragten für Chancengleichheit ebenso ergeben kann wie aus ihrer Einbeziehung in vorbereitende Entscheidungsprozesse. Hier könnte eine Beauftragte für Chancengleichheit als Mitglied einer Personalvertretung mit Erwartungen konfrontiert werden, ihr Wissen ggf. vorzeitig an das Gremium weiterzugeben oder ihre Arbeit als Beauftragte zugleich im Sinne der konkret vom Personalrat verfolgten Interessen und Ziele wahrzunehmen. Zwar handelt es sich insoweit keineswegs um zwangsläufige Konflikte, so dass ein Gesetzgeber von derartigen Wahlrechtsbeschränkungen ohne weiteres auch Abstand nehmen kann, ohne die Funktionsfähigkeit des Amtes als Beauftragter für Chancengleichheit, Gleichstellungs- oder Frauenbeauftragter etc. unzulässig in Frage zu stellen. Es kann dem Gesetzgeber jedoch im Hinblick auf seine Gestaltungsfreiheit nicht verwehrt werden, diesbezüglich Einschränkungen des Wahlrechts vorzunehmen.
Ob diese Einschränkungen so weitgehen müssen wie im Bereich des Bundes, wo die Mitgliedschaft in jeder Personalvertretung, d.h. nicht im Personalrat des unmittelbaren Zuständigkeitsbereichs der Gleichstellungsbeauftragten ausgeschlossen wird, mag man für unverhältnismäßig halten. Über einen solchen Fall hatte der VGH Mannheim nicht zu entscheiden. Allerdings lässt sich § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LPVG BW keine dienststellenbezogene Einschränkung entnehmen. Sie folgt auch nicht aus den für Gesamtpersonalräte und Stufenvertretungen geltenden Regelungen (§ 54 Abs. 4, § 55 Abs. 3 LPVG BW).
Hinsichtlich der Frage einer mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts geht der VGH Mannheim zutreffend lediglich von einer mittelbaren Diskriminierung aus, so dass der Rechtfertigungsaufwand weniger hoch ist als bei einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts. Das Interesse an der Funktionsfähigkeit des Amtes der Beauftragten für Chancengleichheit stellt im Hinblick auf den zugrunde liegenden Verfassungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 GG einen zureichenden Grund dafür dar, das passive Wahlrecht für einen Personalrat für diesen Personenkreis auszuschließen. Gleiches gilt auch für die nicht herangezogene Regelung in Art. 14 Abs. 1 lit. d RL 2006/54/EG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. b RL 2006/54/EG oder § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. den §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 3 Abs. 2 AGG.
Schwieriger verhält es sich im Anwendungsbereich von § 20 Abs. 1 Satz 2 BGleiG bzw. § 16 Abs. 5 Satz 1 SGleiG. Da im Anwendungsbereich dieser beiden Gesetze Männer nicht zu Gleichstellungsbeauftragten bestellt werden können, liegt eine rechtlich begründete unmittelbare Diskriminierung vor, deren Rechtfertigungsvoraussetzungen an Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG bzw. § 8 Abs. 1 AGG zu messen sind. Auch hier wird man jedoch annehmen müssen, dass die gewollte Abschirmung der Gleichstellungsbeauftragten vor den Erwartungen an eine maßgeblich als Interessenvertretung ausgestaltete Einrichtung einen rechtmäßigen Zweck verfolgt, um die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung entsprechend Art. 21 Abs. 4 RL 2006/54/EG bzw. Art. 3 Abs. 2 GG möglichst effektiv zu fördern und konkurrierende Einflüsse von bisher insoweit wenige effizienten Interessenvertretungen auf die Gleichstellungsbeauftragte jedenfalls durch die Ausgestaltung des organisatorischen Rahmens zurückzudrängen. Insoweit kann sich lediglich die Frage stellen, ob es angemessen ist, das passive Wahlrecht auch für Stufenvertretungen auszuschließen, wenn die Gleichstellungsbeauftragte nicht auf der Ebene der entsprechenden Stufenvertretung ihr Amt wahrzunehmen hat. Aus den gleichen Gründen ist auch eine Rechtfertigung der unmittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG möglich, zumal das BVerfG seit längerem anerkannt hat, dass an sich untersagte Differenzierungen durch Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt werden können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.01.1995 – 1 BvL 18/93 u.a. – BVerfGE 92, 91, 109).
D. Auswirkungen für die Praxis
Bundes- und landesrechtliche Regelungen zum Ausschluss des passiven Wahlrechts von Gleichstellungsbeauftragten oder ähnlichen Funktionsträgerinnen für eine Personalvertretung sind mit dem GG, dem AGG und der RL 2006/54/EG grundsätzlich vereinbar. Vorsicht erscheint nur geboten, wenn das passive Wahlrecht über den Zuständigkeitsbereich der Gleichstellungsbeauftragten hinaus für Stufenvertretungen ausgeschlossen wird, die an einer übergeordneten Behörde gebildet werden. Entsprechendes gilt für Schwerbehindertenvertretungen.
Soweit Landesverfassungsrecht Beschäftigten in Behörden und öffentlichen Betrieben, Unternehmen ein aktives und passives Wahlrecht für Betriebsvertretungen bzw. Personalvertretungen gewährleistet, wie dies z.B. in Art. 37 Abs. 1 HV oder Art. 47 Abs. 1 BremVerf geschehen ist, können sich für den Erlass derartiger Einschränkungen materieller oder formeller Art ergeben, die zu den bereits genannten Anforderungen hinzutreten. Hier wird stärker darauf zu achten sein, ob sich der Entzug des grundrechtlich gewährleisteten Wahlrechts für derartige Beschäftigtenvertretungen tatsächlich im Hinblick auf die spezifische Aufgabenstellung einer Frauenbeauftragten rechtfertigen lässt. Derzeit verzichten sowohl das HPVG bzw. das HGlG wie auch das BremPersVG bzw. das BremLGG auf Regelungen zur Beschränkung des passiven Wahlrechts für Personalvertretungen.