Orientierungssätze zur Anmerkung
1. Gibt ein Arbeitnehmer im Voraus eine ganztägige Dienstreise für die Zeiterfassung an und leistet an diesem Tag tatsächlich mehrere Stunden Hilfe bei einer Sportveranstaltung, ist dieses Verhalten an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
2. Bei einer Einsicht in als privat markierte Einträge im elektronischen Kalender des Arbeitnehmers ist die Rechtmäßigkeit des Eingriffs nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zu überprüfen. Eine in Anwesenheit des Arbeitnehmers durchgeführte Kontrolle des Kalenders ist regelmäßig das mildere Mittel zur Aufklärung eines Arbeitszeitbetrugs.
3. Aufgrund der anzustellenden Güterabwägung unter Berücksichtigung der Art und Weise des Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG kann sich auch bei einer unverhältnismäßigen Kontrolle von als privat markierten Einträgen im elektronischen Kalender eine Verwertbarkeit des unstreitig gewordenen Sachverhalts ergeben.
A. Problemstellung
Vor dem Hintergrund der ausgeprägten Nutzung IT-basierter Angebote durch Arbeitnehmer taucht in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung immer wieder die Frage auf, inwieweit der Arbeitgeber Computer oder andere elektronische Geräte seiner Mitarbeiter kontrollieren darf und inwieweit die gefundenen Ergebnisse zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden dürfen. Die vorliegende Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob der Arbeitgeber im Fall des Verdachts von Straftaten auch auf als „privat“ markierte Einträge im elektronischen Kalender des Arbeitnehmers zugreifen darf. Im Vordergrund steht erneut die vom Bundesdatenschutzgesetz geforderte Güterabwägung und die Frage der Beweisverwertung.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin war seit 2007 als Leiterin des analytischen Labors bei der Beklagten tätig. Zuletzt trug die Klägerin Verantwortung für 38 der über 600 Mitarbeiter der Beklagten. Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen arbeitgeberseitigen Kündigung. Nach dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung im September 2013 folgte in demselben Monat eine außerordentliche Kündigung, zu der der Betriebsrat seine Zustimmung erteilte. Die zunächst erklärte ordentliche Kündigung beruhte auf Beschwerden von Mitarbeitern der Klägerin, die mit ihrer Qualität als Führungskraft zusammenhingen. Der sodann erklärten außerordentlichen Kündigung lag die Kenntnisnahme der Beklagten von falsch dokumentierten Arbeitszeiten der Klägerin zugrunde.
Nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung entschied sich die Beklagte, den elektronischen Kalender der Klägerin auf ihrem dienstlichen Notebook zu überprüfen, um etwaige weitere falsch dokumentierte Arbeitszeiten zu entlarven. Der Betriebsrat war mit diesem Vorgehen einverstanden. Der Klägerin war gestattet, ihre Arbeitsleistung auch aus dem Homeoffice zu erbringen. Sie war jedoch zu jeder Zeit verpflichtet, ihre Arbeitszeit elektronisch zu erfassen. Im Rahmen der bei der Beklagten geltenden Betriebsvereinbarung über Gleitzeit galt, dass für eintägige Dienstreisen der tatsächliche Zeitaufwand, begrenzt auf zehn Stunden für den gesamten Arbeitstag, gutgeschrieben wurde. Die Klägerin hatte im Voraus für den 07.06.2013 einen Dienstreisetag in der Zeiterfassung angegeben. Der überprüfte Kalender enthielt für den 07.06.2013 den als „privat“ markierten Eintrag „Bundesjugendspiele“ in der Zeit von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr.
Die Klägerin bestritt nicht, an den Bundesjugendspielen in der Schule ihrer Tochter teilgenommen zu haben. Sie ist der Auffassung, dass die Angaben in der Zeiterfassung dennoch pflichtgemäß erfolgt seien. Am Nachmittag des 07.06.2013 habe sie einen dienstlichen Besprechungstermin wahrgenommen und sodann im Homeoffice gearbeitet, sodass ein Ausgleich erfolgt sei. Diese fehlerhafte Arbeitszeiterfassung schob die Beklagte als Kündigungsgrund nach. Der Arbeitgeber hatte damit Erfolg und das Landesarbeitsgericht bestätigte wie die Vorinstanz die Wirksamkeit der Kündigung, da sich die Klägerin eines Arbeitszeitbetruges im Umfang von 7,5 vergütungspflichtigen Stunden schuldig gemacht habe.
C. Kontext der Entscheidung
Das Urteil zeigt erneut, dass Arbeitgeber zum Nachweis von Pflichtverletzungen oftmals Daten nutzen können, die in IT-Systemen gespeichert werden. Der technische Fortschritt und die Einbringung von Internet, Computersystemen und Smartphones in den Arbeitsalltag führt dazu, dass die Handlungen von Arbeitnehmern nachvollzogen werden können. Die Arbeitsgerichte versuchen hier regelmäßig, einen Ausgleich zwischen dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Interesse der Arbeitgeber an einem ordnungsgemäßen Ablauf der Tätigkeiten herzustellen. Die vorliegende Entscheidung belegt, dass die Arbeitsgerichte insbesondere bei Vermögensdelikten dazu tendieren, die Interessen des Arbeitgebers als höher zu bewerten. Trotz des geltenden Bundesdatenschutzgesetzes durfte der Arbeitgeber die zur Verfügung stehenden elektronischen Aufzeichnungen nutzen, um einen Arbeitszeitbetrug aufzudecken und zu sanktionieren. Die Frage des Bestehens von Beweisverwertungsverboten wurde dabei zutreffend vom LArbG Mainz verneint.
Wie das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend ausführt, ist der streitgegenständliche Arbeitszeitbetrug grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB zu rechtfertigen. Knackpunkt der Entscheidung ist jedoch die Frage der Verwertbarkeit der Funde aus der erst nach Ausspruch der Kündigung erfolgten Überprüfung des elektronischen Kalenders der Klägerin. Nur aufgrund der darin aufgefundenen Daten, der vorgetäuschten Dienstreise, wurde die außerordentliche Kündigung als gerechtfertigt angesehen. Das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots musste das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang anhand von § 32 BDSG prüfen. Der Auffassung der Beklagten, aufgrund der verbotenen Privatnutzung des Kalenders habe sie ohnehin ein Einsichtsrecht in auch als „privat“ markierte Einträge gehabt, trat das Landesarbeitsgericht jedoch entgegen. Es wurde der Annahme der Klägerin, zur Koordination beruflicher Termine sei die Eingabe privater Termine unumgänglich, zugestimmt. Insbesondere aufgrund der durch den Kalender gewährten Möglichkeit, Termine als „privat“ in dem Kalender zu markieren, hätte es eines gesonderten Hinweises durch die Beklagte bedurft, dass es sich hierbei um eine verbotene Privatnutzung handelt. Diese Einschätzung des Landesarbeitsgerichts ist nachvollziehbar und praxisorientiert.
Die Beklagte konnte auf diese Weise somit die Einsichtnahme in die Daten nicht rechtfertigen. Folglich war die Einsichtnahme an den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BDSG zu messen. Danach dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG der Regelung dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.
Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 Satz 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Die Speicherdaten im elektronischen Kalender sind somit personenbezogene Daten im Sinne des BDSG. Die Verwendung dieser Daten zum Nachweis der Pflichtverletzung ist nur zulässig, wenn sie durch eine Regelung des BDSG, wie zum Beispiel § 32 BDSG, legitimiert ist. Die von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG vorausgesetzte Erforderlichkeit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten zur „Aufdeckung einer Straftat“ macht nach der Rechtsprechung des BAG eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte, die Interessen des Arbeitgebers und des Beschäftigten berücksichtigende Abwägung im Einzelfall notwendig (BAG, Urt. v. 20.06.2013 – 2 AZR 546/12). Die Nutzung der Speicherdaten diente im vorliegenden Fall der Aufdeckung einer strafrechtlich relevanten Pflichtverletzung. Ein Arbeitnehmer, der vorsätzlich unzutreffende Arbeitszeiten angibt, erfüllt gleichzeitig den Tatbestand eines Betruges i.S.v. § 263 StGB, da der Arbeitgeber aufgrund der Täuschung über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit eine zu hohe, nicht geschuldete Vergütung auszahlt.
Das LArbG Mainz hat somit zutreffend den Anwendungsbereich von § 32 BDSG bejaht. Auch der von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG geforderte Verdachtsgrad lag nach Ansicht des Gerichts vor. Wie von der Rechtsprechung gefordert, führt das Landesarbeitsgericht sodann eine Interessenabwägung durch. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch die Überprüfung der Einträge des elektronischen Kalenders ist dem Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung und Verfolgung einer Pflichtverletzung gegenüberzustellen. Da das Persönlichkeitsrecht im Arbeitsverhältnis nach Auffassung des BAG – jedenfalls außerhalb des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensführung – nicht schrankenlos gewährleistet ist, können Eingriffe aufgrund überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Die Frage, ob der Eingriff gerechtfertigt ist, muss vom Gericht im Rahmen der Güterabwägung geklärt werden (BAG, Urt. v. 13.12.2007 – 2 AZR 537/06). Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Einsichtnahme in den Kalender nicht verhältnismäßig im Sinne des BDSG. Dennoch schied ein Beweisverwertungsverbot aus, sodass die gefundenen Ergebnisse als Kündigungsgrund verwendet werden durften.
Die erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung fiel zulasten der Beklagten aus. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG fordert im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit, dass es sich bei der vorgenommenen Handlung des Arbeitgebers um das relativ mildeste Mittel handelt. Zwar, so das Landesarbeitsgericht, handelt es sich bei der Einsichtnahme in den Kalender um das einzige Mittel, das geeignet war, die Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Arbeitszeiterfassung der Klägerin aufzuklären. Als milderes Mittel als die heimliche Einsichtnahme alleine durch den Arbeitgeber hätte jedoch die Einsichtnahme in Anwesenheit der Klägerin bzw. in Anwesenheit eines Datenschutzbeauftragten zur Verfügung gestanden. Diese milderen Mittel hat die Beklagte nicht ergriffen, sodass ihr Vorgehen nicht verhältnismäßig i.S.d. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG war. Somit hat die Beklagte ihre Kenntnis von dem schließlich zur Kündigung führenden Umstand in rechtwidriger Weise erlangt.
Die rechtwidrige Erlangung der Daten des elektronischen Kalenders führt vorliegend jedoch nicht zum Verbot ihrer prozessualen Verwertung. Ein solches Verbot besteht – sofern die betreffenden Tatsachen von der Gegenseite nicht bestritten werden – nur dann, wenn der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm einer gerichtlichen Verwertung der Information zwecks Vermeidung eines Eingriffs in höherrangige Rechtspositionen dieser Partei zwingend entgegensteht, so das LArbG Mainz.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei vorliegend jedoch nicht in einem solch intensiven Maß beeinträchtigt worden, dass dies ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen könnte. Betroffen sei vorliegend nicht der absolut geschützte Kernbereich des Grundrechts, sondern vielmehr der lediglich relativ geschützte Bereich. Beispielsweise hätte auch in einem etwaigen Krankheitsfall oder einer ähnlichen Verhinderung der Arbeitnehmerin eine Einsichtnahme in den Kalender stattfinden können, um Schäden durch die Versäumung wichtiger Termine abzuwenden. Das Landesarbeitsgericht beurteilte die Eingriffsintensität nicht als derart einschneidend, dass eine Berücksichtigung der gefundenen Daten, angesichts des gravierenden Verstoßes in Form des Arbeitszeitbetruges zu unterbleiben hätte. Hierbei kam dem Arbeitgeber sicherlich auch zugute, dass der Betriebsrat sich der Einsichtnahme nicht verschloss und nicht auch noch zusätzlich eine Verletzung von Beteiligungsrechten vorliegt. Mithin kommt das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zu dem richtigen Ergebnis, dass ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 BGB vorlag. Da angesichts der Schwere der Pflichtverletzung auch die Interessenabwägung zulasten der Klägerin ausfiel, war der Berufung der Klägerin nicht stattzugeben.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung stärkt erneut die Position von Arbeitgebern gegenüber Arbeitnehmern, die einen Arbeitszeitbetrug begehen. Wie die Entscheidung belegt, kann der Arbeitgeber auch private elektronische Kalendereinträge nutzen, um im Verdachtsfall ein Fehlverhalten nachzuweisen. Zu bedenken ist allerdings, dass ein konkreter Verdacht erforderlich ist und nicht präventiv und generalisierend auf die gespeicherten Daten der Arbeitnehmer zugegriffen werden darf. Der Arbeitgeber tut zudem im Regelfall gut daran, die Eingriffsstärke, soweit wie nur eben möglich, zu reduzieren. Dazu gehört, bei der Überprüfung der Arbeitnehmerdaten eventuell einschlägige Betriebsvereinbarungen einzuhalten und die Einsichtnahme im Beisein Dritter Personen, wie zum Beispiel dem Datenschutzbeauftragen oder einem Betriebsratsmitglied, vorzunehmen.