Nachfolgend ein Beitrag vom 30.6.2017 von Spitz, jurisPR-ITR 13/2017 Anm. 3
Leitsätze
1. Eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung von 50% an einer juristischen Person eröffnet jedenfalls dann maßgeblichen Einfluss auf den Geschäftsbetrieb, wenn Beschlüsse der Gesellschaft mit Stimmenmehrheit gefasst werden müssen.
2. Agiert diese Gesellschaft unter 50%iger Beteiligung des Arbeitnehmers während des Bestehens seines Arbeitsverhältnisses konkurrierend im Handelszweig des Arbeitgebers am Markt, stellt dieses an sich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung wegen Verstoßes gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot dar.
3. Zu den Voraussetzungen für die Beachtlichkeit eines Bestreitens mit Nichtwissen.
A. Problemstellung
Darf ein Arbeitnehmer im Hinblick auf das bestehende arbeitsrechtliche Wettbewerbsverbot Gesellschafter an einem Konkurrenzunternehmen seines Arbeitgebers sein? Mit dieser Frage befasst sich die vorliegende Entscheidung des LArbG Kiel.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger war bei der Beklagten seit 2010 als Prokurist beschäftigt. Im Arbeitsvertrag hieß es u.a.: „Während der Dauer dieses Vertrages ist es dem Angestellten ohne ausdrückliche Zustimmung der Gesellschaft nicht gestattet, in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma in direktem oder indirektem Wettbewerb steht. Der Angestellte verpflichtet sich, ein solches Unternehmen weder unmittelbar noch mittelbar, gelegentlich oder gewerbsmäßig zu beraten, in irgendeiner Form zu unterstützen, zu errichten, zu erwerben oder sich daran zu beteiligen, es sei denn, der Anteilsbesitz ermöglicht keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens.“ Am 16.10.2014 wurde die H-GmbH gegründet. Der Kläger ist mit 50% an dieser Gesellschaft beteiligt. Der Kläger informierte die Beklagte nicht von seiner Beteiligung. Unternehmensgegenstand sowohl der Beklagten als auch der H-GmbH ist das sog. „Refurbishment“ von technischen Geräten. Darunter ist die Aufbereitung und Überprüfung von gebrauchten technischen Geräten zu verstehen. Die H-GmbH betreibt seit 2014 eine Internetseite. In einem Screenshot datiert vom 11.02.2016 bietet die H-GmbH als Leistungen auch Refurbishment ohne Einschränkung auf den Vertragspartner an. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die H-GmbH dies auch bereits im Jahr 2015 angeboten hat. Der Kläger hatte diese Behauptung der Beklagten mit Nichtwissen bestritten. Nachdem die Beklagte am 10.12.2015 von der Beteiligung des Klägers an der H-GmbH erfahren hatte, kündigte sie am 14.12.2015 dem Kläger fristlos.
Das LArbG Kiel hielt die Kündigung für rechtswirksam.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vor, da der Kläger nachhaltig gegen das arbeitsvertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Danach habe er sich verpflichtet, sich nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Beklagten an einem Unternehmen zu beteiligen, das mit der Arbeitgeberin in direktem oder indirektem Wettbewerb stehe, es sei denn, der Anteilsbesitz ermöglicht keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens. Das stets bei bestehendem Arbeitsverhältnis geltende arbeitsrechtliche Wettbewerbsverbot soll nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts den Arbeitgeber vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers schützen. Dem Arbeitnehmer sei aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm sei ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG, Urt. v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13).
Die Gesellschafterstellung an einer juristischen Person stelle allerdings nicht zwingend eine Konkurrenztätigkeit dar. Maßgeblich sei nach der vertraglichen Abrede vielmehr, dass die Gesellschaft mit der Arbeitgeberin in direktem oder indirektem Wettbewerb stehe und der Arbeitnehmer durch die eigene Gesellschafterstellung Einfluss auf die Organe dieser Gesellschaft nehmen könne. Bei einer reinen Gesellschafterstellung sei dies dann der Fall, wenn die gesellschaftsrechtliche Beteiligung einen maßgeblichen Einfluss auf den Geschäftsbetrieb der juristischen Person eröffne (Oetker in: ErfKomm, 16. Aufl. 2016, § 60 HGB Rn. 5). Dieses Erfordernis sei vorliegend erfüllt, da der Kläger wegen seiner Beteiligung i.H.v. 50% eine mehrheitliche Meinungsbildung und damit Beschlüsse der Gesellschaft verhindern könne. Der Kläger habe eine Sperrminorität, an der andere Gesellschafter nicht vorbeikommen würden.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hatte die H-GmbH auf ihrer Internetseite das Refurbishment als Leistung bereits im Zeitraum vor Ausspruch der fristlosen Kündigung uneingeschränkt am Markt angeboten. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen sei rechtlich unbeachtlich. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO sei eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen seien. Die Erklärung mit Nichtwissen sei nur dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis habe, weil sich der Vorgang außerhalb seiner Wahrnehmung abspiele. Habe die Partei keine ausreichende Kenntnis, müsse sie sich kundig machen. Führe dies zu keiner Erkenntnis, müsse sie den Grund ihrer Unkenntnis darlegen (Greger in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 138 Rn. 13 f.). Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich seien den „eigenen“ Handlungen und Wahrnehmungen i.S.v. § 138 Abs. 4 ZPO gleichgestellt. Die Partei müsse hier Erkundigungen anstellen und könne sich insoweit nicht ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen (Greger in: Zöller, ZPO, § 138 Rn. 16). Infolgedessen sei die diesbezügliche Erklärung des Klägers wie ein Nichtbestreiten zu behandeln. Die Homepage existiere seit August 2014. Die H-GmbH sei im Oktober 2014 gegründet worden. Der Kläger sei seit ihrer Gründung zu 50% Gesellschafter dieser Firma. Es hätte daher näherer Darlegungen durch den Kläger bedurft, vor welchem konkreten tatsächlichen Hintergrund er keine Kenntnis vom Inhalt der Homepage im Zeitraum August 2014 bis einschließlich Dezember 2015 gehabt haben will und ihn sich auch nicht im Nachhinein verschaffen konnte, was er insoweit bei wem unternommen habe und warum dieses erfolglos gewesen sei.
C. Kontext der Entscheidung
Das im Rahmen eines bestehenden Arbeitsvertrages stets geltende Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer ergibt sich aus § 60 HGB (analog). Im Regelfall ist nach wohl h.M. die Beteiligung am Handelsgewerbe eines Konkurrenten des Arbeitgebers, falls diese Beteiligung mit einem maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung oder mit einer nennenswerten Verbesserung der finanziellen Möglichkeiten des Konkurrenten verbunden ist, verboten. Die reine Gesellschafterstellung des Arbeitnehmers in einem Konkurrenzunternehmen während des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses begründet somit nicht automatisch einen Wettbewerbsverstoß. Erst wenn Umstände seitens des Arbeitnehmers hinzutreten, die sich auf das Marktgeschehen des Arbeitgebers auswirken (können), sollte ein Wettbewerbsverstoß gegeben sein. Diese Auffassung erscheint nicht unproblematisch. Denn auch eine rein stille, von sämtlichen gesellschaftsrechtlichen Befugnissen befreite Gesellschafterstellung eines Arbeitnehmers fördert mittelbar den Konkurrenten des Arbeitgebers durch die (regelmäßig gegebene) finanzielle Beteiligung am Konkurrenzunternehmen, die diesem zugutekommt und somit fördert. Naheliegender erscheint es deshalb, analog § 112 HGB einem Arbeitnehmer eine Gesellschaftsbeteiligung im Geschäftszweig seines Arbeitgebers zu untersagen. Im vorliegenden Fall war allerdings ein Wettbewerbsverbot nur für solche Fälle abbedungen, in denen durch eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen kein Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens ausgeübt werden kann.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Auswirkungen der Entscheidung für die Praxis sind nicht allzu hoch anzusetzen, da rechtlich nichts wirklich Neues geschaffen wurde. Entscheidend für das Ergebnis des vorliegenden Falles war die Frage, ob das Bestreiten des Klägers vom Anbieten der Konkurrenzleistung auf der Webseite des Konkurrenzunternehmens wirksam war oder nicht. Das LArbG Kiel hat hierbei zu Recht unter zutreffender Subsumtion von § 138 Abs. 4 ZPO das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen als unbeachtlich beurteilt, sodass der diesbezügliche Vortrag der Beklagten als zugestanden zu behandeln war.